Julia Extra Band 0332
hatte er ihr deswegen nie verzeihen und sich einer neuen richtigen Beziehung widmen können?
In den Augen der Welt hatte er es zu etwas gebracht, aber er fühlte sich immer noch wie der Junge, der May nicht gut genug war …
„Glaubst du, ich wollte deine Männlichkeit infrage stellen, indem ich weitere Hilfe anfordere?“, fügte sie herausfordernd hinzu.
„Tust du das denn nicht?“ Die Gegenfrage kam schärfer heraus, als er beabsichtigt hatte.
In ihren Augen erschien ein schwer zu deutender Ausdruck, bei dem ihm ganz heiß wurde. Ohne zu überlegen umfasste er ihr Gesicht und drückte ihr die Lippen fest auf den Mund, ohne Zärtlichkeit, ohne Raffinesse, ohne Sinnlichkeit.
Ihm ging es nur darum, zu beweisen, wer hier die Oberhand hatte. Er wollte May zeigen, dass sie ihm gehörte. Er wollte, dass sie für alle die elenden Jahre bezahlte, in denen er die Erinnerung an ihre Haut, ihre Hände und ihren Mund nicht aus seinem Kopf hatte vertreiben können.
Er wollte sie. Hier und jetzt!
Nancies Weinen ließ ihn zur Besinnung kommen.
Adam ließ May los. Sie ging zur Wiege und hob das Baby heraus. Behutsam legte sie es gegen ihre Schulter und redete beruhigend auf es ein. Oder wollte sie sich selbst beruhigen?
„Sie will bestimmt ihr Fläschchen“, meinte May und eilte, ohne ihn noch einmal anzublicken, aus dem Zimmer.
Am liebsten wäre er ihr gefolgt und hätte ihr erklärt, wie er sich fühlte. Was sie ihm, unbewusst, antat. Was er für sie empfand.
Aber er hatte vor allem eins gelernt: sich zu beherrschen. Also blieb er, wo er war, bis sein Atem sich beruhigt hatte.
Dann widmete er sich wieder dem Schrank, und da er jetzt nicht von Mays Haaren, von ihren Händen und ihren weichen, verlockenden Lippen abgelenkt wurde, machte die Anleitung plötzlich Sinn.
May lehnte sich im Flur gegen die Wand, weil ihr die Knie weich geworden waren. Ihre Lippen brannten von dem heißen Kuss, der so ganz anders gewesen war als der zärtlich sanfte am Vormittag.
Nicht leise Sehnsucht durchflutete sie, sondern schmerzliches Verlangen. Nach Adam, nach allem, was er ihr geben konnte – und damit meinte sie keineswegs Geld. Sie wollte ihn. Nur er konnte ihre Träume wahr werden lassen.
Seufzend ging sie in die Küche und bereitete Nancies Fläschchen. Nachdem sie das Baby gefüttert hatte, stellte sie fest, dass es auch gewickelt werden musste, also blieb ihr nichts anderes übrig, als wieder nach oben zu gehen.
Adam zog gerade die letzte Schraube an dem vertrackten Schrank fest.
„Du hast es geschafft!“, rief sie, bemüht erfreut, und zwang sich zu lächeln, während sie Nancie auf die Wickelunterlage legte.
„Sobald ich die Schrauben und Muttern in der richtigen Reihenfolge hingelegt hatte, war es ein Kinderspiel“, behauptete er. „Was soll ich mit den leeren Kartons anfangen?“
„Bring sie in den früheren Stall“, wies May ihn an und blickte zu ihm hoch.
Irgendwie flehend, fand er. Als wollte sie ihn bitten, ihr zu verzeihen. Oder wenigstens zu vergessen.
„Da werden die Kurse abgehalten“, fügte sie hinzu. „Pappe ist als Bastelmaterial gern gesehen.“
Das Baby grapschte nach Mays Haar. Sie nahm seine kleine Hand in ihre und küsste die winzigen Finger.
Erinnerungen überfielen Adam. So hatte er Mays Finger damals geküsst. Und nicht nur die. Ihren schlanken Hals mit der zarten Haut. Ihre festen, runden Brüste.
Unwillkürlich seufzte er leise, und sie wandte sich ihm zu, eine Locke hinters Ohr schiebend.
„Saffy ist ein Glückspilz“, meinte May leise.
„Findest du?“
„Ja, weil sie Nancie hat.“ Ihr Lächeln war wehmütig.
May war beinah dreißig und hatte weder Ehemann noch Kinder. Das war nicht seine Schuld! Er wäre damals mit ihr durchgebrannt, aber ihr war Coleridge House und ihr angestammter Platz in der Gesellschaft wichtiger gewesen.
Das Haus würde er ihr sichern. Und dafür würde sie sich erkenntlich zeigen. Vielleicht auf dem Heuboden wie damals?
Adam hob einen Armvoll Kartons auf und trug ihn nach unten. Im Hof atmete er tief durch. Die kühle Luft tat ihm gut und ließ seinen Kopf wieder klar werden.
Der Weg und der Stallhof selber waren gut beleuchtet, und im hellen Licht stellte Adam fest, dass sich, zumindest äußerlich, hier nicht viel verändert hatte.
Die Tore in den roten Ziegelmauern waren schwarz gestrichen, in Blumenkübeln blühten Erika und winterharte Stiefmütterchen, was allem ein anheimelnd ländliches Flair gab. Leise miauend strich ihm eine
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