Julia Extra Band 0332
Oder ein Gespenst, blass und mager. Ihr Make-up, das sie für die Hochzeit aufgelegt hatte, war inzwischen von Tränen verschmiert.
Da Lars ihr ständig gesagt hatte, sie sei vollkommen, obwohl sie wusste, dass es nicht so war, hatte sie Angst gehabt, zu sich selbst zu stehen oder gar mit ihm zu streiten. Sie hatte sich aufgegeben – während er ihr im Gegenzug nur Lügen aufgetischt hatte.
Rose nahm einen weiteren Schluck Kaffee. Ihr Blick fiel auf das Hochzeitskleid. Es lag immer noch zerknittert am Boden, wo Alexandros es am Abend zuvor hingeworfen hatte. Barfuß durchquerte sie den Raum, nahm das Kleid mit spitzen Fingern hoch und warf es in den Papierkorb.
Na bitte. Weg damit.
Sie rieb die Hände aneinander, wandte sich ab und fühlte sich augenblicklich besser. Und plötzlich … überfiel sie ein Bärenhunger.
Entschieden ging sie zu dem Frühstückstablett und gab drei Löffel Zucker und reichlich Sahne in ihren Kaffee. Genüsslich nahm sie einen großen Schluck, dann aß sie das Buttercroissant in drei großen Bissen auf.
Während sie danach in das süße Brötchen biss, zog sie sich die teuren Seidendessous von Lars aus, sah sie einen Moment an und beförderte sie ebenfalls in den Abfallkorb.
Im angrenzenden Bad stellte sie sich schließlich unter die heiße Dusche und rieb sich so lange mit Seife ab, bis ihre Haut gerötet war. Nachdem sie sich abgetrocknet hatte, sah sie sich nach einem Fön um. Nein, entschied sie. Kein Aufhebens mehr. Von jetzt an würde sie ihre Haare natürlich tragen. Gelockt.
Zurück im Schlafzimmer fand sie in einer Schublade bequeme weiße Unterwäsche. Danach entschied sie sich für einen weichen Baumwollrock und ein dünnes Stricktop. Als sie fertig war, musterte sie sich erneut im Spiegel.
Sie sah wieder aus wie früher. Wie die gute, alte Rose Linden aus Kalifornien, die Kellnerin, die für ihr Studium arbeitete, die liebende Tochter, die ihren Eltern am Wochenende selbst gemachte Süßigkeiten brachte und die freitagabends auf ihre Nichten und Neffen aufpasste. Keine Juwelen, Pelze und keine Tiara mehr. Nur noch sie selbst.
Doch ihre Augen sahen anders aus. Verquollen vom Weinen. Aber es lag noch etwas anderes in ihrem Blick. Obwohl immer noch Jungfrau, wenn auch keine Braut mehr, wusste Rose, dass sie nie wieder ganz zu ihren idealistischen Mädchenträumen zurückkehren könnte.
Und trotzdem fühlte sie sich wie befreit, ohne all das Make-up und die beengenden Kleider. Sie öffnete die Balkontür und aß den Rest ihres Frühstücks mit großem Appetit.
Eine erfrischende Brise wehte vom Meer herauf. Nachdem Rose den letzten Schluck Kaffee getrunken hatte, ging sie auf den Balkon und sah hinunter auf die blaue Ägäis. Die salzige Luft roch nach Blumen und trug die exotischen Düfte des fremden Landes mit sich.
Am vergangenen Abend war sie ängstlich und erschöpft gewesen. Die Villa schien voll dunkler Schatten für sie. Aber heute, im hellen Sonnenschein, entdeckte sie, wie wunderschön die weiße Villa mit den Stuckarbeiten war, umgeben von hellrosa Blumen.
Vergnügt hob sie das Gesicht zur Sonne, wie eine Blume, die die wärmenden Strahlen zu lange hatte entbehren müssen. Zum ersten Mal seit drei Monaten war sie nicht nervös oder angespannt. Sie war … glücklich.
„Kauf sie.“ Alexandros tiefe Stimme wehte von unten herauf. „Aber erst, wenn sie unter vierzig stehen. Dann bleibt den Aktionären nichts anderes übrig, als zu verkaufen.“
Rose warf einen Blick über den Balkon und sah, wie Alexandros bei der schattigen Baumgruppe in der Nähe des Pools auf und ab ging und in sein Handy sprach.
Die Khakishorts schmiegten sich an seine muskulösen Beine. Das schwarze Tanktop enthüllte seine starken Arme und die breiten Schultern.
Alexandros sah anders aus an diesem Tag. Das Sonnenlicht machte seine harten Züge weicher. Nicht länger furchterregend und brutal. Er sah einfach unglaublich attraktiv aus. Und stark.
Ob das daran lag, dass sie keine Angst mehr vor ihm hatte? Ihn nicht länger hasste? Aber wie konnte das sein? Hätte Alexandros sie am vergangenen Abend nicht aus dem Schloss entführt, hätte sie Lars ihre Unschuld geschenkt, in dem Glauben, seine Frau zu sein. Damit hätte sie den größten Fehler ihres Lebens begangen.
Ihr Körper hatte ihr die ganze Zeit versucht mitzuteilen, dass etwas nicht stimmte mit Lars. Je öfter er von ihrer Vollkommenheit sprach, desto unvollkommener hatte sie sich gefühlt. Rose wusste, dass sie mit ihrer
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