Julia Extra Band 0339
sich anders überlegt.“
„Nein.“ Er schwieg. „Ich muss sagen, für jemand, der noch so jung ist, verstehen Sie Ihr Handwerk.“
„Wie … wie meinen Sie das?“
„Ihre Methode, den Gesprächspartner zum Reden zu bringen, ist beeindruckend.“
„Danke für das Kompliment – wenn es denn eins sein soll. Ich habe das ungute Gefühl, dass Sie meine … äh … Methode nicht rückhaltlos billigen.“
„Das bilden Sie sich ein. Und jetzt …“, er verneigte sich leicht, „… muss ich mich wirklich auf den Weg machen.“
„Dann bis morgen, Mr Wyndham.“
Nachdem sie gegangen war, trat Brett auf die Terrasse. Ein voller Mond stand am Himmel und tauchte die Bucht in silbernes Licht.
Sie hatte sich nicht getäuscht – er fand Holly Hardings journalistische Fähigkeiten tatsächlich etwas beunruhigend. Ihr einnehmendes Wesen und dieser unverfälschte Enthusiasmus machten es einem leicht, über Dinge zu reden, die nicht für fremde Ohren bestimmt waren. Zwar war es so weit nicht gekommen – das dunkle Geheimnis der Wyndhams war gut bei ihm aufgehoben. Aber was geschah, wenn sie doch irgendwie dahinterkam? Unterschätzte er sie? Brett verspürte den ersten Hauch eines Zweifels …
Sollte er das Ganze abblasen und sie morgen mit dem ersten Flug nach Brisbane zurückschicken? Aber dafür gab es keine plausible Erklärung, und lächerlich machen wollte er sich auch nicht. Von jetzt an würden sich die Gespräche auf sein neues Projekt beschränken, das war die beste Lösung, die ungefährlichste …
Er kehrte in die Suite zurück, um sich für die Verabredung mit seiner Schwester, seinem Bruder und dessen Braut umzuziehen. Dass seine Exverlobte mit von der Partie sein würde, wusste er nicht.
Holly verspeiste ihren De-Luxe-Hamburger und schlenderte am Strand zurück ins Hotel, als sie Brett Wyndham in einem der noblen Restaurants auf dem gegenüberliegenden Bürgersteig erkannte. Er und die fünf Personen am Tisch schienen sich bestens zu unterhalten, während eine kleine Armee von Kellnern das Essen servierte und Wein nachschenkte.
Sie blieb stehen und musterte die Gruppe – zwei weitere Männer und drei Frauen, unter ihnen Bretts Schwester Sue Murray. Die beiden anderen schienen Models zu sein; beide waren superschlank und nach dem letzten Schrei gekleidet. Eine hatte wunderschönes tizianrotes Haar, die andere eine glatte blonde Mähne, von der sie, Holly, nur träumen konnte.
Ihr Blick kehrte zu Brett Wyndham zurück, und wieder spürte sie, wie ihre Haut zu prickeln anfing. Aber da war auch dieses ungute Gefühl, das sie seit Verlassen der Suite nicht mehr loswurde: dass er aus irgendeinem Grund plötzlich Vorbehalte gegen das Interview hatte. Im Geist rekapitulierte sie das Gespräch mit ihm – waren ihre Fragen zu persönlich gewesen? Hatte sie unwissend ein brisantes Thema angeschnitten? Nichts kam ihr in den Sinn.
Oder sah sie Gespenster? Nein, ihr Bauchgefühl sagte ihr, dass etwas nicht stimmte.
Was, wenn er das Interview tatsächlich storniert ?
Sie verspürte einen Stich in der Brust. Die Vorstellung, das Zusammensein mit ihm könnte schon morgen vorbei sein, erschien ihr plötzlich unerträglich. Wie ich ihn vermissen werde! dachte sie beklommen. Dabei kennen wir uns doch erst ein paar Tage.
Lieber Himmel! Wie soll das bloß weitergehen … ?
4. KAPITEL
Holly erwachte vor Sonnenaufgang und beschloss spontan, schwimmen zu gehen.
Sie zog Shorts und ein Baumwollhemd über den Badeanzug, dann legte sie ihre Reisekleidung zurecht. Gepackt hatte sie bereits gestern Abend, sie war startklar. Nur eins stand noch offen – das Ziel. Haywire oder zurück nach Brisbane?
Sie durchquerte die menschenleere Lobby und trat ins Freie. Am Schwimmbecken griff sie sich eins der Gästebadetücher, bevor sie zum Strand schlenderte, wo ein paar Frühaufsteher bereits im Wasser waren oder joggten. Trotz der frühen Stunde war die Luft schon schwülwarm; ein heißer Tag stand bevor.
Spaziergang oder Bad? überlegte sie. Erst der Spaziergang, vielleicht finde ich dabei die Lösung für mein Dilemma.
Egal, ob aus eigenen Stücken oder auf Brett Wyndhams Veranlassung – ohne das Interview in der Tasche zurückzufliegen bedeutete, dass sie versagt hatte. Dass sie nicht mit ihm oder er nicht mit ihr zurechtkam. Sie würde weiterhin Reisereportagen schreiben und ihre Hoffnung auf die große Karriere erst mal auf Eis legen müssen.
Das war zwar enttäuschend, aber damit konnte sie leben. Sie war noch jung,
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