Julia Extra Band 0339
Unglaublich!“
Holly grinste. „Wie gesagt, Däumchendrehen liegt mir nicht.“
„Dann lass uns jetzt alles vorbereiten, und danach gehen wir schlafen, damit wir morgen frisch sind. Wir starten vor Sonnenaufgang.“
„Zu Befehl, Mr Wyndham.“
Im ersten Licht des anbrechenden Tages machten sie sich auf den Weg. Holly war voller Tatendrang – je länger sie darüber nachdachte, desto weniger glaubte sie daran, dass man sie ohne Kenntnis ihrer genauen Position im Busch finden würde – das hieße, die sprichwörtliche Stecknadel im Heuhaufen zu suchen! Besser, sie nahmen ihr Schicksal selbst in die Hand.
Brett hatte mithilfe von zwei dünnen Ästen und einer der Decken eine Art Schlitten gebastelt, sie selbst aus langärmeligen T-Shirts zwei kleine Rucksäcke. Anschließend verpackten sie, was sie mitzunehmen gedachten, und zuletzt schrieben sie eine Nachricht, sollten tatsächlich Retter auftauchten. Dafür glätteten sie an einer geeigneten Stelle des Flussbetts den Sandboden und kratzten SIND FLUSSAUFWÄRTS UNTERWEGS in die Erde. Die Buchstaben belegten sie mit Steinchen, um die Botschaft dauerhafter und noch sichtbarer zu machen. Vorsichtshalber hinterließ Brett auch noch eine kurze handschriftliche Mitteilung im Flugzeugwrack. Danach aßen sie etwas und gingen zu Bett.
Er schlief sofort ein, sie lag noch ein Weilchen wach. In seine Arme geschmiegt, fühlte sie sich wunderbar warm und geborgen. Dennoch fragte sie sich, was aus der Leidenschaft von gestern geworden war. Hatte sie heute Morgen bei der Unterhaltung an etwas gerührt, das sie besser nicht angerührt hätte? Oder war er nach den anstrengenden Vorbereitungen des Nachmittags ganz einfach k. o.?
Gleich darauf fielen auch ihr die Augen zu.
Sie waren den ganzen Tag unterwegs. Während der größten Hitze rasteten sie an einem schattigen Plätzchen; als es kühler wurde, setzten sie den Marsch fort. In dem sandigen Flussbett war das Gehen beschwerlich, aber über Felsen brauchten sie zum Glück nicht zu klettern. An ein paar Stellen hatten sich durch den Regen vom Vortag kleine Teiche gebildet, und zwei Mal sahen sie Krokodile ins Wasser gleiten.
Zusätzlich zu dem Rucksack an seinen Schultern zog Brett den Schlitten, und Holly staunte insgeheim, wie unermüdlich er war. Sie selbst hielt sich auf den Beinen, indem sie unterwegs vor sich hin summte.
Sie sprachen nicht viel, dafür gingen ihr Dinge durch den Kopf, mit denen sie sich zuvor nie beschäftigt hatte. Zum ersten Mal wurde ihr bewusst, dass auch sie sterblich war. Der Flugzeugunfall und die jetzige Ungewissheit hatten gezeigt, wie schnell sich die Dinge vom Guten zum Bösen wenden konnten. Heute rot, morgen tot, dachte sie. Plötzlich wurde ihr klar, dass sie jeden Tag genießen sollte, anstatt immer nur auf den richtigen Zeitpunkt zu warten.
Sie kamen nur langsam voran, und wenn es für sie gar zu anstrengend wurde, half Brett ihr weiter. Er massierte die verkrampften Muskeln in ihren Schultern und verkürzte ihr den beschwerlichen Marsch mit unterhaltsamen Geschichten. Zum Glück trugen sie beide Sonnenhüte, und eingecremt waren sie ebenfalls – was allerdings mit sich brachte, dass sie von Kopf bis Fuß mit Sand beklebt waren.
Aber es gab auch beeindruckende Momente – sie sahen große Papageien mit schillernd buntem Gefieder über sich hinfliegen, auch einige der grau-rosa Kakadus, die man galahs nannte, und irgendwann sogar eine Familie von Felskängurus. Anderen Tieren begegneten sie keinen, weder wilden noch zahmen. Hin und wieder hörten sie Flugzeuge, doch alle flogen in solcher Höhe, dass die Piloten sie unmöglich ausmachen konnten.
Und gerade, als sie beschlossen hatten, es für heute genug sein zu lassen, wurde ihnen eine wundervolle Überraschung zuteil: Das Flussbett machte eine Biegung, und vor ihnen lag eine Lagune mit klarem Wasser, viel Schilfrohr und blühenden Wasserlilien. Palmenartige Sträucher mit orangeroten Früchten wuchsen am Ufer.
Holly blieb der Mund offen stehen. „Eine Fata Morgana!“, japste sie.
Brett griff nach ihrer Hand. „Nein, sie ist wirklich.“
„Und vermutlich voll mit Krokodilen.“
„Kaum. Schau!“ Er wies zu einem winzigen Sandstrand, über dem ein flacher Felsvorsprung eine Art Terrasse bildete. „Da steht eine Hütte! Der ideale Ort zum Übernachten.“
Holly brach in Tränen aus. „Da…das sind Freudentränen.“ Sie schluchzte und lachte gleichzeitig. „Es ist einfach zu schön, um wahr zu sein.“
Fest drückte
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