Julia Extra Band 0339
ausweisen?“
Hörbar sog Jonas die Luft ein. Seit Jahren reiste er geschäftlich um die halbe Welt, und bisher hatte nie jemand bezweifelt, dass er der war, für den er sich ausgab. „Genügt Ihnen meine Kreditkarte?“, fragte er barsch und griff dabei in die Innentasche des Mantels.
„Nein.“
„Warum nicht?“
„Kreditkarten haben kein Foto. Jeder X-beliebige kann im Besitz einer Kreditkarte auf den Namen Jonas Buchanan sein.“
„Sie unterstellen mir, ich könnte sie gefälscht haben?“
„Gefälscht oder gestohlen.“ Sie zuckte die Schultern. „Reisepass oder Führerschein wären mir lieber.“
„Beide kann man ebenfalls fälschen. Oder auch stehlen“, fügte er sarkastisch hinzu.
„Hm, jetzt, wo Sie es erwähnen …“
Frustriert zog Jonas seinen Pass aus der Brusttasche, wo er nach dem Rückflug aus Sydney immer noch steckte. In der Tat, es war keine gute Idee gewesen, Miss McCoy aufzusuchen, aber nach dem erfolgreichen Geschäftsabschluss in Australien war er dummerweise davon ausgegangen, dass ihm auch sonst alles gelingen würde.
„Bitte.“ Mürrisch hielt er ihr den Reisepass hin.
Vorsichtig, um seine Hand nicht zu berühren, nahm Mary das Dokument entgegen, schlug es auf und begutachtete das Passfoto. Im Gegensatz zu ihrem eigenen, auf dem sie mehr einer vorbestraften Halbwüchsigen als einer erwachsenen Frau glich, war seins eine getreue Abbildung des Mannes vor ihr.
Sie überflog die Beschreibung neben dem Bild. Name: Jonas Edward Buchanan. Staatsangehörigkeit: britisch. Das Geburtsdatum besagte, dass er vor Kurzem fünfunddreißig geworden war.
Sie klappte den Pass zu und gab ihn zurück. „Was kann ich für Sie tun, Mr Buchanan?“
„Das hört sich besser an“, sagte er grimmig und steckte das Dokument an seinen Platz zurück. „Ganz offensichtlich haben Sie und ich einiges zu besprechen, Miss McCoy.“
„Der Meinung bin ich nicht.“ An ihm vorbei stieg sie die Treppe hinauf zu ihrer Wohnung. Sie fror, und es bestand kein Grund, noch länger im Freien herumzustehen. An der Eingangstür hielt sie inne und zog den Schlüssel aus der Hosentasche. „Ich lasse das Außenlicht noch zwei Minuten brennen, das gibt Ihnen genug Zeit, um zu der besser beleuchteten Hauptstraße zurückzukommen. Danach schalte ich es aus.“
Den Bruchteil einer Sekunde verharrte Jonas am Fleck, dann folgte er ihr, zwei Stufen auf einmal nehmend. „Ich sagte bereits, dass ich mit Ihnen reden möchte“, sagte er genervt.
Sie schloss die Tür auf, dann drehte sie sich zu ihm. „Wenden Sie sich schriftlich an mich.“
„Das habe ich bereits, mehrmals sogar. Bisher fanden Sie es nicht notwendig, darauf zu antworten, Miss McCoy.“
„Vielleicht tue ich es diesmal, Mr Buchanan.“
„Das bezweifle ich sehr.“ Er schob einen Fuß in den Türspalt.
Marys rauchgraue Augen blitzten zornig auf. „Nehmen Sie sofort Ihren Fuß zurück, sonst benachrichtige ich die Polizei.“
„Ich möchte lediglich, dass wir ruhig und vernünftig miteinander reden.“
„Ich bin beschäftigt.“
„Nur zwei Minuten, verdammt noch mal.“ Langsam verlor er die Geduld.
„Nein.“ Was sie sagte, stimmte, sie hatte wirklich zu tun. Übermorgen wurde eine Ausstellung ihrer Gemälde eröffnet, und eins davon war noch nicht fertig. Außerdem, jede Unterredung mit ihm war Zeitverschwendung – kein Argument konnte sie je davon überzeugen, das Lagerhaus, das sie so liebevoll restauriert und zu ihrem Heim gemacht hatte, zu verkaufen.
Ihr Großvater hatte es ihr hinterlassen, als er vor fünf Jahren starb. Es war eins der alten Gebäude entlang der Themse, die man nach und nach stillgelegt hatte, weil die alten Frachtschiffe den Anforderungen des modernen Warentransports nicht mehr genügten. Nun enthielt das Lagerhaus im ersten Stock Marys Wohnung, im zweiten ein geräumiges Atelier und im Erdgeschoss die Garage und einen Abstellraum. Es war perfekt, und sie liebte es über alles.
Leider interessierten sich seit einiger Zeit Bauträger wie Buchanan Construction für diese Gegend. Sie erwarben ein Grundstück nach dem anderen, ließen die alten Lagerhäuser niederreißen und ersetzten sie durch luxuriöse Apartmenthäuser für reiche Leute.
Dass ihr Lagerhaus zu diesen Gebäuden gehörte, war sein Pech, nicht ihres.
Sie seufzte. „Sie kennen meine Antwort, ich habe sie bereits Ihrem Anwalt, Ihrer Assistentin und dem Bauleiter mitgeteilt“, erinnerte sie ihn. „An meiner Einstellung hat sich nichts geändert
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