Julia Extra Band 0339
anderen Ende des Saals.
Mary, nach außen hin ganz in das Gespräch mit einem interessierten Sammler vertieft, beobachtete aus den Augenwinkeln, wie die beiden langsam die Wände entlangschritten und ihr Werk in Augenschein nahmen. Nichts in seinen Zügen verriet ihr, ob oder wie gut ihm die Bilder gefielen; mit unbeweglicher Miene, die Lider halb gesenkt, betrachtete er jedes Gemälde eingehend und lauschte dabei den gemurmelten Kommentaren seiner Cousine, zu denen er sich hin und wieder leise äußerte.
Wahrscheinlich findet er alles abscheulich, dachte Mary resigniert, während sie gleichzeitig versuchte, den etwas aufdringlichen Kunstliebhaber zu überreden, die finanziellen Aspekte seines Kaufes mit Jeremy Lyndhurst zu besprechen. Zweifellos bevorzugte Mr Buchanan abstrakte Kunst und konnte mit ihren ausgefallenen, aber gegenständlichen Motiven und den ungewöhnlichen Farbkombinationen nichts anfangen. Womöglich hatte er Amy Walters auch nur begleitet, um Mary den Abend zu verderben.
Die Mühe hätte er sich sparen können – Empfänge wie dieser waren ihr aus tiefster Seele zuwider. Sie hasste die Oberflächlichkeit und das leere Gerede, aber mehr noch verabscheute sie es, wenn man ihr zu nahe trat. Wie jetzt dieser potenzielle Käufer, der ihr wie von ungefähr die Hand auf die Hüfte legte.
Mit einer brüsken Bewegung wich sie dem aufdringlichen Menschen aus. „Ich bin sicher, Jeremy wird Ihre Fragen mit dem größten Vergnügen beantworten“, sagte sie steif.
Der etwas beleibte ältere Herr ließ sich nicht abweisen. „Jeremy ist nicht mein Typ“, versicherte er Mary und zwinkerte dabei vielsagend.
Insgeheim verwünschte sie ihn – wie konnte sie den Typen loswerden, ohne Aufsehen zu erregen? Jeremy und Magnus hatten schwer für das Gelingen der Ausstellung gearbeitet, aber alle Bemühungen wären für die Katz, wenn sie jetzt einen Skandal verursachte. Im Geist sah sie die morgigen Schlagzeilen bereits vor sich: „Aufgebrachte Künstlerin ohrfeigt galanten Käufer beim Eröffnungsempfang“.
Sie versuchte es noch einmal. „Ich glaube wirklich, Sie sollten …“
Eine nur zu bekannte tiefe Stimme unterbrach sie. „Tut mir leid, Darling, dass ich so spät komme.“ Jonas Buchanan trat neben sie und legte vertraulich den Arm um ihre Taille, bevor er sich dem rundlichen Mann neben ihr zuwandte. „Welch ein Andrang heute Abend, finden Sie nicht auch?“ Er lächelte, doch seine Augen waren nicht nur blau, sondern auch hart wie Saphire.
„Äh … ja.“ Verlegen trat der Angeredete einen Schritt zurück. „Ich … Ah, da ist Jeremy. Wenn Sie mich bitte entschuldigen wollen, Miss McCoy …“ Er machte sich eilig davon.
Erst jetzt entdeckte Mary, dass sie am ganzen Leib zitterte, hätte aber nicht sagen können, ob der widerwärtige Annäherungsversuch von eben oder Mr Buchanans Nähe daran schuld war.
Jonas warf einen Blick auf ihr weißes Gesicht. „Kommen Sie!“, befahl er. „Etwas frische Luft wird Ihnen guttun.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, schob er sie in Richtung Ausgang.
Draußen wehte ein eisiger Wind, und im Licht der Straßenlampe sah er, dass Mary in dem dünnen Kleid vor Kälte schlotterte. Er zog das Jackett aus und legte es ihr um die Schultern, wobei er unbeabsichtigt ihre runden Brüste streifte.
„Und Sie? Ist Ihnen nicht kalt?“
In dem viel zu großen Jackett, dessen Saum ihr fast ans Knie reichte, verschwand sie förmlich. Sie kam ihm vor wie ein kleines Mädchen, das sich in Daddys Kleiderschrank verirrt hat. Allerdings hatten ihre rauchgrauen Augen und der volle rote Mund absolut nichts Kindliches.
„Ich bin okay“, erwiderte er schroffer als beabsichtigt. Ohne Übergang fügte er hinzu: „Wie alt sind Sie eigentlich?“
Sie blinzelte. „Wie…wieso fragen Sie?“
Irritiert zuckte er die Schultern. „Vorgestern erinnerten Sie mich an die kleine Schwester meines Nachbarn. Heute Abend sehen Sie aus wie … wie sich ein Mann die kleine Schwester seines besten Freundes wünscht.“
„Ach ja?“ Sie legte neckisch den Kopf in den Nacken. „Wie soll ich das verstehen?“, fragte sie mit rauchiger Stimme.
Wie gebannt blickte Jonas auf den schönen Mund. Eine Kostprobe, dachte er, nur eine kleine Kostprobe. Um zu sehen, ob er ebenso gut schmeckt, wie er aussieht …
Buchanan ! Reiß dich am Riemen !
Sein Interesse an Mary McCoy war rein geschäftlich, privat war sie für ihn tabu, auch wenn sie noch so aufregend aussah und einen Mund hatte, der zum
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