Julia Extra Band 0342
wolltest?“
„Natürlich haben wir darüber gesprochen, aber ich habe es wohl nicht deutlich genug gesagt. Oder sie hat gehofft, dass ich es mir noch mal überlegen würde. Ich habe ihr sogar den Gefallen getan.“
„Was denn?“
„Ich habe in der Firma meines Vaters angefangen. Und festgestellt, dass Schreibtischarbeit absolut nichts für mich ist. Wie habe ich diesen Job gehasst! Ich konnte und wollte nicht der Mann werden, den sie sich wünschte. Zwei Jahre lang haben wir versucht, miteinander auszukommen. Am Ende war eine Scheidung der letzte Ausweg.“
Insgeheim bewunderte sie Tristan für seine Offenheit. Die meisten Männer hätten mit solchen Bekenntnissen hinterm Berg gehalten.
„Als mein Vater die Nase voll hatte von der Ehe, ist er einfach abgehauen“, erzählte sie. „Er hat keine Kompromisse gemacht. Er wollte nicht zur Eheberatung. Du hast wenigstens versucht, deine Ehe zu retten. Das spricht für dich.“
Vielleicht war Tristan MacGregor doch aus anderem Holz geschnitzt als Rich.
„Na ja, aber es hat ja nicht funktioniert. Emma hat gefunden, was sie suchte. Sie hat einen Arzt geheiratet, Kinder bekommen und wohnt jetzt in Laguna Beach.“
„Und du?“, erkundigte Jayne sich. „Hast du auch gefunden, was du gesucht hast?“
„Ich habe alles, was ich brauche“, erwiderte er. „Bis ich freilich so weit war, habe ich einem anderen Menschen sehr wehgetan. Das möchte ich nie wieder tun.“
„Wenn es doch nicht so wehtäte, seine Lektionen zu lernen …“
„Täte es nicht weh, würden wir nichts lernen.“
„Das stimmt“, pflichtete sie ihm bei.
Er räusperte sich. „Da wir gerade vom Lernen reden – am Sonntag will ich mich nach einer Wohnung umschauen. Ich würde mich freuen, wenn du mitkommst. Ich weiß, dass ich eine Menge von dir lernen kann.“
Fast hätte Jayne den Hörer fallen gelassen.
Sag nein! Mehr musste sie nicht tun. Sie beide suchten ganz unterschiedliche Dinge – sowohl was ihre Vorstellungen vom Wohnen als auch vom Leben anbetraf. Dennoch fühlte sie sich geschmeichelt, dass Tristan sie um Rat fragte.
Vorsicht! Er ist noch immer Richs bester Freund.
Aber Tristan war nicht wie Rich … oder wie ihr Vater. Natürlich hatte er seine Macken. Er konnte nicht mit Geld umgehen. Er lebte nur in der Gegenwart; die Zukunft war ihm egal. Und er konnte sich nicht einmal zu einem Mietvertrag durchringen – von einer Beziehung ganz zu schweigen.
Doch genau wie sie hatte er Fehler gemacht und seine Lektion gelernt. Wenigstens bei der Wohnungssuche konnte sie ihn vor Fehlern bewahren.
„Ich könnte mir am Sonntag ein bisschen Zeit freischaufeln“, sagte sie schließlich.
Als hätte sie nicht alle Zeit der Welt.
6. KAPITEL
Die Wohnungssuche mit Jayne war amüsanter gewesen, als Tristan gedacht hatte. Er war richtig froh, dass sie sich entschieden hatte, ihn zu begleiten.
Aus dem Autoradio kam Musik, und er trommelte den Rhythmus des Songs mit den Fingern aufs Lenkrad. Jayne saß neben ihm, einen Stapel Prospekte im Schoß. Das war mal wieder typisch: Während er nur die Immobilienseite aus der Tageszeitung gerissen hatte, hatte sie sich gründlich vorbereitet, die Objekte vorher im Internet begutachtet und auf einem Stadtplan markiert.
Das war gar keine schlechte Strategie gewesen, stellte Tristan fest.
Obwohl sie grundverschiedene Lebenseinstellungen hatten, gab es mehr Gemeinsamkeiten zwischen ihnen, als es den Anschein hatte. Und das machte sie zu einem guten Team. Zu einem sehr guten sogar.
Er lächelte.
„Was gibt’s zu lachen?“, wollte sie wissen.
„Ich habe nur über den Tag nachgedacht.“ Und dass er ihn gerne auf eine ganz besondere Weise beenden würde.
„Wir haben wirklich eine Menge angeschaut“, sagte sie begeistert.
War sie von den Wohnungen so begeistert – oder weil er neben ihr saß?
„Ich kann mir dich sehr gut in dieser Eigentumswohnung mit Meerblick vorstellen“, fuhr sie fort.
„Die hat mir auch sehr gut gefallen. Die Gegend ist perfekt. Und der Schnitt der Wohnung ist auch gut.“
„Vergiss die Küche nicht. Die war einfach fantastisch!“
„Ja, sie ist ganz nett.“ Tristan war nicht halb so begeistert. „Aber jede Küche wäre eine Verbesserung gegenüber meiner jetzigen Situation.“
„Stimmt.“
Unvermittelt bog er von der Schnellstraße ab.
„Wo fahren wir hin?“, fragte sie verdutzt.
Er lächelte zufrieden. „Wart’s ab. Es ist eine Überraschung.“
Sie lehnte sich in den Sitz zurück.
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