Julia Extra Band 0342
mit Lincoln Curtis eine Beziehung anzufangen. Unter keinen Umständen wollte sie das. Sie hatte gerade genügend andere Probleme. Außerdem kannte sie den Mann kaum. Eine einzige Nacht, noch dazu unter Einfluss einiger Drinks und jeder Menge Hormone, war wohl kaum die Basis für eine rationale Entscheidung.
Linc hob eine Hand, und augenblicklich hielt eine schnittige schwarze Limousine vor ihnen.
Der Fahrer sprang heraus, kam um das Auto herum und öffnete die Tür für sie. Linc bedeutete Molly, zuerst einzusteigen, dann rutschte er neben sie auf den Sitz – nah genug, dass sie die Wärme seines Körpers spüren konnte, aber gerade noch weit genug weg, um sie nicht zu berühren.
„Dein eigener Fahrer?“, sagte sie. „Ich bin beeindruckt.“
Einmal mehr wurde ihr der Unterschied zwischen dem Linc, den sie in jener Nacht kennengelernt hatte, und dem wahren Linc deutlich vor Augen geführt.
Dieser Mann in der Bar – war auch nur irgendetwas an ihm authentisch gewesen? Wer war dieser Lincoln Curtis, der da neben ihr saß? Dieser unnahbare, wohlhabende und mächtige Geschäftsführer war jedenfalls nicht der gewandte Allerweltstyp, an den sie sich erinnerte.
Was hatte er in dieser Nacht nur in ihr gesehen? Und warum hatte er ihr nicht die volle Wahrheit über sich gesagt? Vielleicht war er schon zu vielen Leuten begegnet, die ihn bei Erwähnung seines Reichtums nur noch als Millionär wahrnahmen und nicht mehr als Menschen.
„Halb so wild“, antwortete er. „Das Auto und der Fahrer sind ein notwendiges Übel. Es spart einfach Zeit.“
„Weil es so viel mehr Zeit kosten würde, selbst zu fahren?“, scherzte sie.
„Weil ich arbeiten kann, während Saul fährt.“
Linc deutete auf einen Laptop, der auf einem kleinen Tisch an der linken Seite des Fahrzeugs angebracht war – neben einem eingebauten Telefon und einem kleinen Fernsehbildschirm.
Der Linc aus der Bar hatte so entspannt gewirkt, so normal. Dieser Linc hier kam ihr wie das genaue Gegenteil vor. Und das lag nicht nur an dem Chauffeur und dem Anzug. Er benahm sich irgendwie anders. Als ob eine riesengroße Verantwortung auf seinen Schultern lastete.
Als sich das Auto vom Bordstein entfernte, warf sie einen Blick zurück auf das riesenhafte Gebäude von Curtis Systems. Und da wurde ihr klar, dass es genauso war.
Hatte sie ihn in jener Nacht falsch gedeutet? Oder war ihre Erinnerung in den letzten beiden Monaten verschwommen?
Nein, daran lag es nicht. Er hatte sich definitiv anders verhalten. Die Frage war nur: weshalb?
„Ich dachte, du musst zu einer Besprechung“, sagte sie. „Die Rezeptionistin hat gesagt, dass du den ganzen Nachmittag beschäftigt bist. Ganz ehrlich, mir macht es nichts aus, zu einem besseren Zeitpunkt wiederzukommen.“
„Ich habe tatsächlich eine Besprechung“, sagte er. „Ich bin heute vollkommen ausgebucht.“
Er atmete angestrengt aus und machte damit seiner ganzen Verantwortung Luft. Dann sah er sie an, so als könne er noch immer nicht fassen, dass sie auf seiner Türschwelle aufgetaucht war.
„Aber ich bekomme nicht jeden Tag solch … unerwarteten Besuch.“
„Das ist ja eine tolle Art, unsere …“
Sie wollte „Beziehung“ sagen, aber da sie ja eigentlich gar keine hatten, sagte sie schließlich: „… Situation zu beschreiben.“
„Du hast mich heute auf dem falschen Fuß erwischt. Ich habe nicht damit gerechnet, dich wiederzusehen.“
Sie bemerkte die hölzerne Note seines Parfüms. Plötzlich hatte sie erneut ein Bild aus jener Nacht vor Augen: Er, in einem einfachen Nadelstreifenhemd, mit offenem Kragen und hochgekrempelten Ärmeln. Aber noch mehr als an seine Kleidung erinnerte sie sich an die Art, wie er sie geküsst hatte.
Ein Kuss, der in ihr eine Hitze entfacht hatte wie nie zuvor. Er hatte sich Zeit gelassen. Ganz langsam waren seine Lippen über ihre geglitten, seine Hand über ihren Hals, als wollte er …
„Wie hast du mich überhaupt gefunden?“, fragte Linc.
„Das … ähm …“ Molly lenkte ihre Aufmerksamkeit zurück auf die Gegenwart. „… war gar nicht so schwer. Es gibt nicht so viele Software-Firmen mit einem Mitarbeiter namens Linc. Zumindest wenn man Google glaubt.“ Ihre Stimme wurde leiser. „Ich wusste allerdings nicht, dass dir Curtis Systems gehört .“
„Du hast gedacht, ich bin eine einfache Arbeitsbiene.“
Ein Lächeln huschte über seine Lippen und kurz sah es aus, als wolle er noch etwas sagen, doch das Klingeln seines Telefons
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