Julia Extra Band 0350
mir kündigen. Alle Geschäfte in Hadley Springs kämpfen mehr oder weniger ums Überleben.“
„Dann zieh fort.“
„So einfach ist das nicht.“
„Könnte es aber sein.“
Sie sah ihn forschend an. „Warum interessiert es dich überhaupt?“
Sergej hielt ihrem Blick stand. „Ich weiß es nicht“, antwortete er ruhig.
Hannah durchzuckte es heiß. Sie wollte ihn noch immer. Sehnte sich nach ihm, egal, was in Moskau geschehen war. Sie wollte seine Küsse spüren, die Wärme seiner Umarmung, noch genauso sehr wie vor einem Jahr. Vielleicht sogar noch mehr. Und wenn er sie auch noch begehrte …
Der Gedanke machte ihr Angst. Erneut trank sie einen großen Schluck Wein. Es war eine ebenso verrückte wie verführerische Vorstellung, mit Sergej zu Ende zu führen, was damals in Moskau angefangen hatte. Nur ein Kuss … eine Nacht … und dann würde sie diejenige sein, die ging.
„Woran denkst du?“, fragte Sergej rau und beugte sich beschwörend zu ihr vor.
„Warum fragst du?“
„Weil du errötest und deine Augen so verträumt blicken“, antwortete er sanft. „Da frage ich mich natürlich …“
Natürlich. Was, wenn sie ihm die Wahrheit sagte? Dass sie daran dachte, mit ihm zu schlafen? Würde er lächeln? Sie auslachen? Vielleicht täuschte sie sich ja schon wieder und würde ein zweites Mal abgewiesen.
Genau genommen ein drittes Mal, wenn sie Matthew mitrechnete. Wobei es in dem Fall für sie nicht das Schlimmste gewesen war, von ihm abgewiesen zu werden.
„Frag dich ruhig weiter“, erwiderte sie überraschend kess. Was war nur in sie gefahren? Flirtete sie etwa mit ihm?
Sergej schenkte ihnen beiden Wein nach, bevor er nachdenklich sagte: „Es hat also in diesem Jahr für dich auch noch etwas anderes gegeben als nur die Arbeit in deinem Laden.“
„Ja, Essen und Schlaf.“
„Und Liebe“, ergänzte er, wobei seine eisblauen Augen aufblitzten, als ob er tatsächlich eifersüchtig wäre.
Liebe? Nein, das zwischen Matthew und ihr war keine Liebe gewesen. Keine Liebe, kein Respekt, keine Freude. Aber sie hatte nicht vor, Sergej das zu verraten. „Wie heißt es so schön? Essen, trinken und fröhlich sein“, entgegnete sie spitz, aber es fühlte sich nicht gut an, weil Sergej sie nur weiter mit seinem Blick durchbohrte. Genervt legte sie ihre Gabel auf den Teller. „Du kannst unmöglich eifersüchtig sein! Hast du nicht gesagt, dass du nicht auf Jungfrauen stehst? Außerdem hast du doch im vergangenen Jahr bestimmt mit hundert Frauen geschlafen!“
„Mit hundert kaum.“
„Ich streite mich nicht um Zahlen.“
Er nickte, wirkte aber immer noch verstimmt, ja, sogar wütend. Hannah wollte es nicht glauben. „Geht es hier vielleicht um so ein typisches Machogebaren … nach dem Motto: Ich will sie zwar nicht, aber ein anderer soll sie auch nicht haben?“
„Ich habe nie gesagt, dass ich dich nicht will!“, entgegnete er heftiger als beabsichtigt.
Für einen Moment verschlug es ihr die Sprache. „Doch, das hast du sogar sehr deutlich gesagt. Ich kann mich noch an die genauen Worte erinnern.“ Sie schluckte, weil ihre Kehle wie zugeschnürt war. „‚Ist das nicht offensichtlich? Weil ich dich nicht mehr wollte.‘“
„Dann will ich dich jetzt eben wieder“, erwiderte er schroff.
Sie lachte ungläubig. „Besten Dank! Zu schade, dass ich dich nicht mehr will.“
Womit sie natürlich seinen Stolz herausforderte. „Oh doch, du willst mich noch“, sagte Sergej und beugte sich zu ihr vor.
Wie hätte sie es leugnen sollen? Wenn ihr das Herz bis zum Hals schlug und ihr heiß bei dem Gedanken wurde, mit ihm zu schlafen? Und Sergej wusste es.
„Du willst mich“, wiederholte er unbeirrt. „Und ich will dich. So einfach ist das.“
Einfach? Aber warum eigentlich nicht? Wieso sollte sie nicht mit ihm schlafen? Sie hegte längst keine Illusionen mehr, was die Liebe anging, und hatte auch ihre optimistische Überzeugung aufgegeben, dass Sergej ein besserer Mensch war, als die meisten vermutlich dachten. Sie hatte nicht vor, sich ihre erotischen Träume zu versagen und zu tun, was ihr Verstand, und vermutlich auch ihr Herz, ihr riet: zu gehen.
Hannah war überzeugt, dazu fähig zu sein. Sie war nicht mehr die gleiche Frau, die vor einem Jahr noch ihr Herz auf der Zunge getragen und Sergej praktisch angefleht hatte, sie zu lieben. Sie war älter und weiser … und ihrer Illusionen beraubt.
Ganz bewusst lächelte sie Sergej an, aufreizend und verführerisch, und bemerkte
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