Julia Extra Band 0350
könnte kreischen vor Begeisterung!!!
Persönliche Aufzeichnungen von Patrick Knight. London, 26. Mai
Ich habe mich nie für einen begabten Schauspieler gehalten, aber ich muss zugeben, dass es eine überaus anregende Erfahrung ist, in die Rolle eines anderen zu schlüpfen.
Als ich mich zu dem Besuch bei Molly entschloss, wollte ich eigentlich mit offenen Karten spielen, doch als sie die Tür aufmachte und mich mit ihren unglaublich blauen Augen ansah, als wäre ich eine überirdische Erscheinung, kam ich mir als Patrick Knight auf einmal hoffnungslos unzulänglich vor. Plötzlich wollte ich der Mann ihrer Träume sein, und so kam es zu der Spontangeburt von Peter Kingston.
Wahrscheinlich sollte ich deswegen ein schlechtes Gewissen haben, aber es ist ein solcher Genuss, mit Molly zusammen zu sein, dass Schuldgefühle so ziemlich das Letzte sind, woran ich in ihrer Gegenwart denke. Kein Wunder, dass sie mit ihrer Offenheit, ihrem Temperament und ihrem unwiderstehlichen Lächeln Mums Herz im Sturm erobert hat. Außerdem ist sie bildhübsch und offensichtlich sehr angetan von mir als Peter.
Ist es wirklich so verwerflich, dass ich diesen Zustand noch eine Weile auskosten möchte?
Zu gegebener Zeit werde ich ihr die Wahrheit sagen, aber noch nicht jetzt. Molly freut sich wie ein Kind auf den Ballettabend, zu dem ich sie eingeladen habe, und ich denke gar nicht daran, ihr den ganzen Spaß zu verderben, indem ich ihr eröffne, dass es überhaupt keinen Peter Kingston gibt.
Ein wirklicher Gentleman würde mein Verhalten sicher nicht gutheißen, aber sei’s drum. Ich habe mich noch nie im Leben so lebendig und unbeschwert gefühlt. Dafür nehme ich diesen kleinen Makel auf meinem Charakter mit Vergnügen in Kauf.
Mollys Tagebuch. London, 27. Mai
Es war ein unvorstellbar schöner Abend, und ich fühle mich auf eine unerklärliche, aber bedeutsame Weise völlig verwandelt. Peter hat mich geküsst, doch ich glaube, ich fange besser ganz von vorn an.
Nach dem Frühstück bin ich zur Oxford Street gefahren und habe einen ausgiebigen Einkaufsbummel gemacht. Anfangs fühlte ich mich von dem überwältigenden Angebot wie erschlagen – auf der Insel gibt es nur zwei Bekleidungsgeschäfte, die beide auf Freizeitkleidung spezialisiert sind –, aber ich habe einen kühlen Kopf bewahrt und mir die Zeit genommen, die ich brauchte.
Ich hätte mir liebend gern (wie Patricks Romanheldin Beth Harper) eine sündhaft teure und völlig unpraktische Extravaganz geleistet. Nur lässt mein Geldbeutel so viel Leichtsinn leider nicht zu, und so habe ich eine vernünftigere Wahl getroffen, mit der ich aber trotzdem sehr glücklich bin.
Nach langem Überlegen habe ich mich für ein einfaches schwarzes Cocktailkleid entschieden, in dem ich mich tatsächlich schön und sexy fühle. Es sitzt wie angegossen, ohne mich in meiner Bewegungsfreiheit einzuschränken, und wirkt wahre Wunder für mein Selbstvertrauen. Dazu habe ich mir schwarze, hochhackige Pumps gekauft und eine schlichte Goldkette, die eng den Hals umschließt und dem Ganzen eine festlich-elegante Note verleiht.
Danach war ich bei Selfridges und habe in der Kosmetikabteilung mein Gesicht „zurechtmachen“ lassen. Ich wollte, dass es ganz natürlich aussieht, und zu meiner Überraschung hat sich die Visagistin (trotz ihrer platinblond gefärbten Haare) getreulich daran gehalten. Als ich fertig war, sah ich überhaupt nicht geschminkt aus, aber meine Haut wirkte fast so zart wie die einer Engländerin, und meine Augen schienen plötzlich doppelt so groß zu sein. Natürlich habe ich jetzt Blut geleckt und will unbedingt lernen, diese Art von Make-up selbst zu machen. Ich fürchte aber, dass ich kaum Gelegenheit haben werde, diese Fähigkeit einzusetzen, wenn ich erst wieder auf der Insel bin.
Um sechs Uhr stand ich ausgehfertig in den Startlöchern und zählte ungeduldig die Minuten, bis es endlich halb sieben war und Peter mich abholte. Da es ein kühler Abend war, hatte ich mir meinen Trenchcoat übergezogen, was bedeutete, dass Peter mein Kleid erst zu Gesicht bekam, als wir in der Oper waren.
Ich werde nie den Moment vergessen, als ich an der Garderobe den Mantel auszog und seinen Gesichtsausdruck sah. Er verschlang mich förmlich mit seinen Blicken, und seine Stimme klang ganz rau, als er mir sagte, dass ich einfach hinreißend aussähe. Es war wie eine Szene aus einem Hollywoodfilm. Um ein Haar hätte ich angefangen zu weinen, aber zum Glück gelang es mir, mich zu
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