Julia Extra Band 159
legte seine Hand auf ihr nacktes Knie, die Wärme und Kraft seiner Finger spendeten ihr sofort Trost. Sie beruhigte sich etwas und hörte auf zu schluchzen.
„Sei tapfer", sagte er leise.
„Okay, ich versuche es."
Nein, sie würde schon nicht zusammenbrechen, das konnte sie sich jetzt nicht leisten. Gott sei Dank herrschte kaum Ver kehr auf der Straße, denn Cass hätte es nicht ertragen, jetzt auch noch auf Fahrradfahrer, Fußgänger, streunende Katzen, Hunde und freilaufende Ziegen Rücksicht nehmen zu müssen.
„Falls das Flugzeug schon gestartet ist, werden wir die Polizei bitten, Kontakt mit den Kollegen in Mahé aufzunehmen", sagte Gifford. „Das Einchecken für Flüge nach England beträgt doch zwei Stunden, nicht wahr?"
Cass nickte.
„Also", fuhr er fort, „haben sie in Mahé massenhaft Zeit, diese verdammte Diebin noch im Flughafengebäude zu schnappen!"
„Aber angenommen, Veronica wartet gar nicht auf das Flugzeug nach England, sondern nimmt eine frühere Maschine! Sie kann in zahllose andere Länder, andere Erdteile fliegen und einfach verschwinden! Oder sie geht gar nicht erst zum Flughafen, sondern taucht in Mahé unter! Mit Jack!" Cass war schon wieder den Tränen nahe.
„Mahé ist wirklich klein genug, um eine große, rothaarige Frau mit einem Baby auf dem Arm sofort aufzuspüren. Schließlich hat sie weder Windeln, etwas zu essen oder Kleidung für Jack dabei. Sie wird also Einkäufe machen müssen, und spätestens dann wird sie geschnappt. Außerdem hat sie doch die fatale Angewohnheit, zuviel zu reden und alles herauszuplappern."
„Hoffentlich hast du recht."
„Ich glaube nicht, daß sie einen Plan hatte. Sie wird Jack aus einem spontanen Einfall heraus mitgenommen haben, ohne länger über die Konsequenzen nachzudenken", meinte Gifford. „In Mahr wird sie gar nicht erst durch die Paßkontrolle kommen, denn sie besitzt keinen Ausweis für Jack. Sie hat nicht die leiseste Chance ..."
Er hielt inne, denn in diesem Moment hatten sie das eingezäunte Gelände des winzigen Flughafens erreicht. Diagonal über eine Rasenfläche verlief die einzige Rollbahn, auf dem neben dem Terminal eine kleine De-Havilland-Propellermaschine stand. Da die Ladeklappen bereits geschlossen waren, stand der Abflug wahrscheinlich unmittelbar bevor.
„Ist das der Flieger nach Mahé?" fragte Gifford Cass.
„Ich glaube schon, aber wir sollten besser erst jemanden fragen."
Sie gab Vollgas und steuerte den Jeep am Zaun entlang bis zu einer Durchfahrt, die direkt zum Terminal führte. Hier hielt der Jeep. Cass und Gifford hatten gerade die Autotüren geöffnet und waren dabei auszusteigen, als der Pilot der Propellermaschine die Motoren startete. Der plötzliche Lärm dröhnte in ihren Ohren.
„O nein", rief Cass voller Angst.
„Wir haben immer noch Zeit." Gifford umklammerte seinen Gehstock und zog Cass hinter sich her in das Flughafengebäude.
Im Warteraum, der offensichtlich sowohl als Ankunfts- als auch als Abflugraum benutzt wurde, gingen sie zu einer uniformierten Bodenstewardess, die an der zum Rollfeld offenen Tür stand und zur Propellermaschine schaute.
„Ist das das Flugzeug nach Mahé?" fragte Gifford.
„Ja, Sir, es startet pünktlich auf die Minute."
„Würden Sie die Flugkontrolle oder sonst einen Verantwortlichen rufen? Der Pilot muß die Maschinen stoppen, das Propellerflugzeug darf nicht starten! "
Die Stewardess sah ihn an, als sei er verrückt geworden. „Die Maschinen stoppen, Sir?"
„Ja, sofort", rief er, „es ist lebenswichtig!"
„Sie wollten versuchen, das Flugzeug noch zu erreichen?" Die Stewardess lächelte ihn beruhigend an. „Tut mir leid, Sir, alle Plätze sind belegt, aber ich kann wirklich nicht deswegen ..."
„Wir sind zu spät gekommen. Sie starten ..." Cass blickte verzweifelt auf die Propellermaschine, die jetzt langsam den Asphalt entlang rollte. Voller Panik wandte sie sich an die Stewardess. „Jack ist an Bord, und ...", ihre Stimme brach, ,,... vielleicht sehe ich ihn niemals wieder!"
„Ich werde die Maschine anhalten. Ich werde Jack zurückbringen." Hastig schubste Gifford die Stewardess beiseite und eilte durch die Tür auf die Betonpiste hinaus.
Seinen Gehstock als zusätzliche Antriebskraft benutzend, humpelte er so schnell er konnte über das Rollfeld. Er schrie, winkte mit den Armen und hinkte hinter dem Flugzeug her.
Während die Stewardess ihm fassungslos nachstarrte, folgte ihm Cass. „Es hat keinen Zweck", rief sie. ,,Niemand kann
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