Julia Extra Band 159
auf ihre Finger und war erstaunt, daß sie zitterte. Dabei kam sie sich besonders ruhig vor. Sie rieb die Hände aneinander und fuhr fort: „Oder ist es etwa ein Problem für dich, daß mein Sohn zu der berühmten Caballeros-Familie gehört?" Beth brach ab. Am liebsten hätte sie ihm voller Bitterkeit die Wahrheit um die Ohren geschlagen, doch stiegen ihr Tränen in die Augen.
„Du tust ja gerade so, als hätte ich eine Wahl gehabt und Jacey zurückgestoßen", erklärte Jaime benommen. „Aber du hast mir niemals diese Möglichkeit gelassen, Beth, da du mir die Wahrheit verheimlicht hast."
Beth zögerte. In seinen Worten schien ehrlicher Schmerz zu liegen.
„Und du hättest natürlich sofort deine Verlobte fallengelassen, auch wenn das nicht sehr ehrenvoll gewesen wäre, um mich zu heiraten", bemerkte sie bissig.
„Beth, wir hätten bestimmt eine Lösung gefunden ..."
„Ich bin sicher, du hättest dich wie ein Ehrenmann benommen." Sie unterbrach ihn mit einem schrillen Lachen, da sie beinahe die Selbstbeherrschung verlor. Einen Augenblick lang sah sie in seinem Gesicht die weichen Züge, die sie einstmals zu lieben geglaubt hatte, und die Bitterkeit brach durch. Er hatte sie damals äußerst gemein behandelt, und das konnte sie einfach nicht vergessen. „Es stimmt, Jaime, daß du keine Wahl hattest. Und du hast sie auch heute nicht, denn Jacey gehört zu mir. Was auch immer du für den Jungen empfindest, vergiß es, denn du spielst keine Rolle in seinem Leben. Das hast du nicht getan und wirst es auch niemals tun!"
„Warum hast du ihm meinen Namen gegeben?" fragte er und war ganz bleich im Gesicht geworden. „Und warum hast du ihn wie einen Spanier erzogen, wenn sein Vater doch nichts bedeutet in seinem Leben?"
„Das muß ja nichts mit dir zu tun haben", protestierte sie heftig, da sie sich auf einmal in einer Falle gefangen fühlte. „Vielleicht kannst du dir vorstellen, was Rosita für mich bedeutet. Sie ist wie eine Mutter für mich. Meine Entscheidung, auf Mallorca zu wohnen, hängt damit zusammen!"
Sie hatte den Jungen einerseits wie einen Spanier erzogen, andererseits war aber nicht zu leugnen, daß seine Mutter aus England stammte. Für sie war es immer wichtig gewesen, daß er beide Kulturen kannte. Auch wenn sie dem Jungen niemals gesagt hatte, wer sein Vater war, hatte sie nicht abgestritten, daß er spanischer Herkunft war ... Schließlich wollte sie nicht, daß er wie ein Fremder im eigenen Land aufwachsen würde.
„Ich verstehe und respektiere, daß du eine besondere Beziehung zu dem Jungen hast", bemerkte Jaime ruhig. „Doch das erklärt nicht, warum du ihm meinen Namen gegeben hast und hier in Spanien mit ihm lebst. Ich glaube, daß die Gründe dafür woanders liegen."
Sie machte eine resignierte Handbewegung.
„Es stimmt, daß die Erinnerung daran, wie hart meine eigene Kindheit war, einer der Gründe dafür ist, daß ich für Jacey nur das Beste wollte", gab sie mit tonloser Stimme zu. „Und da mir bewußt ist, daß ich selbst nicht ausleben konnte, was in mir steckte, wollte ich auf keinen Fall Jaceys spanische Herkunft leugnen. Das wäre ja so gewesen, als wenn ich ihm die Hälfte von ihm genommen hätte."
„Ich hatte ganz vergessen, wie unglücklich deine Kindheit war, und ich danke dir dafür, was du für ... Jacey getan hast". Er hatte deutlich gezögert, den Namen seines Sohnes auszusprechen. „Mein Gott, Beth, du hattest doch nicht viel Geld", platzte er auf einmal heraus. „Warum hast du es mich nicht wissen lassen? Und wie um alles in der Welt hast du überlebt?"
„Spielt das jetzt noch eine Rolle, Jaime?" gab sie schwach zurück. Die Anspielung auf ihre Armut ließ sie wieder an die Überlegungen denken, die sie über den Klassenunterschied, der sie und Jaime trennte, angestellt hatte. Damals mit neunzehn hatte sie nichts davon geahnt. War das denn wirklich alles? Nur ein Klassenunterschied? Sie war felsenfest davon überzeugt gewesen, daß er sie liebte, als er für einige Tage mit seinem Vater nach Barcelona gefahren war. Später erst hatte sie verstanden, daß er dort die andere Frau getroffen hatte, von der er nie zuvor erzählt hatte. Und danach hatte er um ihre Hand angehalten. Hatten ihm diese wenigen Tage in seiner Familie die Augen geöffnet? Beth war nur ein Urlaubsflirt gewesen. Oder er hatte einfach nur körperliche Lust auf sie verspürt, und die Frau, die er wirklich liebte, betrogen.
„Es ist alles schon so lange her", sagte sie halb zu sich.
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