Julia Extra Band 159
überlegte Beth, aber es ist doch erklärlich. Auch wenn sie mit neunzehn Jahren noch ganz unschuldig gewesen war, so hatte sie damals schon gefühlt, daß das sexuelle Verständnis mit Jaime etwas Außergewöhnliches war. Und da sie seitdem keinen anderen Mann mehr gehabt hatte, war es nur zu verständlich, daß ihr Körper so heftig auf den Menschen reagierte, der sie in die aufregende Welt der körperlichen Lust eingeführt hatte.
Aber wie sieht es mit anderen Frauen aus? fragte Beth sich und schlang die Arme um den Körper, da sie erzitterte, als ihr wieder einfiel, was Rosita erzählt hatte. Unter all den Frauen, deren Herzen er gebrochen hatte, gab es da einige, die auch nicht aus den Gedanken vertreiben konnten, wie es gewesen war, mit Jaime zu schlafen?
Beth schüttelte entschieden den Kopf. Es ging jetzt darum, logisch und vernünftig zu denken, und die Tatsache, daß es vielleicht noch andere Frauen gab, die genauso litten wie sie, konnte sie kaum ertragen. Während sie versuchte, diese Gedanken zu vertreiben, kamen ihr auf einmal Jaime und Jacey in den Sinn, und sie hatte den Eindruck, daß die beiden Gesichter zu einem geworden waren. Mit zusammengekniffenen Lippen stand Beth auf und ging verwirrter denn je zum Krankenhaus zurück.
„Warum bist du traurig?" fragte das Kind.
„Weil ich dich sehr liebhabe und nicht ertrage, daß du Schmerzen hast."
„Und warum hast du mich so lieb?" fragte Jacey. Jaime stand auf und schaute Beth mit versteinertem Blick an. Sie nickte mit dem Kopf. Es schien ihr der richtige Augenblick gekommen zu sein, auch wenn sie Jaime am liebsten zurückgehalten hätte, da sie unbeschreibliche Angst verspürte.
„Ich liebe dich mehr, als du dir vorstellen kannst, weil ... weil ich dein Vater bin, Jaime Carlos."
„Ich wußte genau, daß du kommen würdest", erklärte Jacey und strahlte seine Mutter an. „Als ich meine Geburtstagskerzen ausgeblasen habe, habe ich es mir ganz fest gewünscht."
Er hatte niemals zuvor darüber gesprochen. Es war wie ein heimlicher Traum, über den er erst reden konnte, nachdem er in Erfüllung gegangen war ... Dieses spontane Eingeständnis ließ Beth erschauern. Tränen liefen ihr über die Wangen.
Blind stapfte sie zum Bett und ergriff Jaceys ausgestreckte Hand.
„Du solltest nicht weinen, Mama", warf er ihr schläfrig vor. „Papa wird sich um dich kümmern." Ihm fielen schon die Augen zu, doch drehte er sich noch einmal zu seinem Vater um. „Normalerweise ist Mama sehr tapfer, du brauchst nur Yaya zu fragen. Sogar wenn sie sich in den Finger schneidet, weint sie nicht."
Beth hatte das Gefühl, daß das alles unerträglich wurde. Schnell preßte sie eine Hand auf den Mund, um nicht in lautes Schluchzen auszubrechen.
„Es ist schon in Ordnung, Beth, weine, wenn dir danach ist ... Jacey ist eingeschlafen".
Sie spürte, wie er ihr einen Arm um die Schultern legte, aber es gab nichts, was sie trösten konnte.
„Ich habe nach der Krankenschwester geklingelt', sagte er sanft. „Sie wird gleich hier sein, und wir können nach Hause fahren."
Auch auf der Fahrt zu ihm schaffte sie es nicht, die Tränen aufzuhalten, und sie fragte sich schon, ob sie nicht einen Nervenzusammenbruch erleiden würde. Jaime schob ihr einen Arm unter und half ihr auf dem Weg ins Haus. Endlich ließ sie sich auf einen Stuhl in der Küche sinken. Beth schaute sich um, das Licht war hell, die Wände weiß. Das Weinen hatte sich in einen Schluckauf verwandelt.
„Offensichtlich haben dir die Tränen gutgetan", sagte Jaime. Er machte einige Schritte auf sie zu und reichte ihr ein Taschentuch.
„Wahrscheinlich liegt es daran, daß er morgen operiert wird", stammelte Beth, obwohl sie selbst nicht im geringsten davon überzeugt war. Sie verstand, was die Tränen ausgelöst hatte, doch begriff sie nicht, warum sie die Selbstbeherrschung verloren hatte. „Jaime, warum schaust du mich so seltsam an?" fragte sie, als sie sich umdrehte und bemerkte, daß er sie nachdenklich musterte. „Wo liegt das Problem?"
„Es ... es ist mir erst jetzt aufgefallen, daß wir die ganze Zeit über spanisch sprechen", erklärte er. „Dein Akzent ist verschwunden."
Beth fühlte, wie ihr vor Freude das Blut in die Wangen schoß
„Das liegt an Rosita", erklärte sie.
„Da hat sie aber ganze Arbeit geleistet ..." Er brach ab und runzelte die Stirn. „Ist Señora Rubio vielleicht die Frau, bei der du so lange gelebt hast, als du das erste Mal nach Mallorca gekommen bist? Und hast du
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