Julia Extra Band 159
verlassen hatte. „Er ist niemals guter Laune, wenn er gerade aufwacht oder gegen den Schlaf ankämpft. Und die Tatsache, daß er ein Schlafmittel bekommen hat, macht die Sache nicht gerade einfacher." Sie nahm Beth liebevoll am Arm. „Und hör auf damit, zu viel darin zu sehen, daß er nach Jaime fragt. Er ist ein intelligenter Junge und versteht, daß er genauere Informationen von einem Arzt bekommt als von uns."
„Ich weiß", gab Beth zu. „Stimmt die Geschichte von deinem Treffen, oder war es nur eine List, damit Jacey schläft?"
„Ein bißchen von beidem", lächelte Rosita. „Ein Kunde ist heute morgen in die Galerie gekommen und hat mir seine Adresse hier in Palma gegeben, damit ich ihn besuchen komme, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet. Aber es ist keine feste Verabredung."
„Es wäre nicht gut, wenn du geschäftliche Termine wegen uns absagen würdest."
„Beth", unterbrach die ältere Dame und nahm sie in die Arme. „Ich fahre doch jetzt zu ihm, wo ist also das Problem? Du aber siehst sehr müde aus." Sie musterte Beth aufmerksam, während sie zum Auto gingen. „ Liebling, es kann nicht einfach für dich sein, bei Jaime zu wohnen, aber ..."
„Darauf kommt es jetzt gar nicht an", erklärte Beth mit leichtem Lächeln. „Morgen wird der Jungen operiert, und da ist es so am besten, damit ich an seiner Seite bleiben kann."
Rosita nickte zustimmend. „Ich habe schon daran gedacht, morgen früh vor der Operation vorbeizukommen", sagte sie. „Aber vielleicht ist es besser, daß ich mich um die Galerie kümmere, anstatt uns hier nervös zu machen."
Beth lachte laut auf, als sie sich dem Wagen näherten. „Erinnerst du dich noch daran, in was für einem elenden Zustand ich war, als ich das erste Mal in deine Galerie gekommen bin?" Sie schüttelte den Kopf, und dann kamen ihr auf einmal die Tränen. „Mein Gott, was hatte ich nur für ein Glück, dich kennenzulernen", flüsterte sie.
„Das beruht auf Gegenseitigkeit, Darling", gab Rosita voller Zärtlichkeit zurück. „Und ich bin sehr stolz darauf, wie du mit allem selbst fertig geworden bist."
4
Lange schon war die Nacht hereingebrochen, als Jaime zurückkam, und wieder wurde es Beth bewußt, wie zwiespältig ihre Gefühle ihm gegenüber waren. Er trug noch den grünen Kittel und sah viel jünger als zweiunddreißig aus. Auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck, der ihn verletzlich erscheinen ließ. Selten war er seinem Sohn ähnlicher gewesen.
„Es ist viel später geworden, als ich dachte", entschuldigte er sich, wobei er ungewöhnlich zögernd sprach.
„Du siehst müde aus!" rief Beth aus, ohne daß ihr recht klar wurde, was sie da eigentlich sagte.
„Tatsächlich?" fragte er und schaute ihr tief in. die Augen, bevor er zu Jaceys Bett trat. „Es war ein langer Tag." Die einfachen Worte standen im Gegensatz zu den widersprüchlichen Gefühlen, die sich in seinem Blick spiegelten.
„Ja, das nehme ich an", sagte Beth leise und drehte sich leicht ab, als wollte sie seinem Blick ausweichen. „Ich denke, mir wird ein wenig frische Luft guttun", stammelte sie. An der Tür drehte sie sich noch einmal um:
„Er hat nach dir gefragt", sagte sie ruhig und war erstaunt, wie sich sein Gesichtsausdruck schlagartig änderte.
Zuerst begriff sie nicht recht, was sie da sah, doch dann sagte sie sich entschlossen, daß sie nicht andauernd versuchen sollte, zu verstehen, was in Jaime vor sich ging. Sonst ende ich noch als Nervenwrack, sagte sie sich.
Vielleicht hatte Rosita recht gehabt, als sie gesagt hatte, daß es ein Fehler gewesen war, Jaime zu einem Tabu zu machen. Das hatte Beth zwar erlaubt, alles zu verdrängen, was sie an ihm gemocht hatte, doch jetzt zahlte sie den Preis dafür. Er ähnelte immer noch dem Mann, den sie einstmals aus ganzem Herzen geliebt hatte. Und es gibt keine Möglichkeit, die Erinnerung zu vertreiben, sagte sie sich, als sie durch das Krankenhaus ging.
Beth trat in die Nacht hinaus und atmete die kühle Luft ein. Vor ihr lagen wohlgepflegte Rasenflächen und ein kleiner Zypressenwald. Sie dachte daran, daß sie mit Jacey hierher kommen würde, wenn es ihm wieder besserging.
Sie blieb auf einer kleinen Lichtung vor einem steinernen Wasserbecken stehen und schaute sich um. Die friedfertige Stimmung unterstrich noch die Verwirrung, die in ihr herrschte.
Auch ihren Körper hatte sie kaum noch unter Kontrolle, da sie nur zu genau spürte, wie das sexuelle Verlangen zunahm.
Vielleicht ist es ein ungutes Gefühl,
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