Julia Extra Band 348
Betrügerin, genauso wie alle Frauen … genauso wie seine Mutter, die ohne Schuldgefühle ihr einziges Kind verlassen hatte, einfach nur, weil sie ihr eigenes Leben wollte. Er spürte, wie sich sein Mund vor Verachtung verzerrte. Hatte er denn immer noch nicht begriffen, dass ein Mann von Frauen nichts, aber auch gar nichts zu erwarten hatte?
Er fixierte Zara mit eisigem Blick. „Na? Überrascht?“, fragte er spöttisch.
Ihr Hals war immer noch wie zugeschnürt. „Natürlich bin ich überrascht“, erwiderte sie mit brüchiger Stimme. „Warum … was machst du hier? Ich … ich verstehe nicht. Was geht hier vor?“
Nikolai kniff die Augen zusammen. Ja, er hatte gewusst, dass sie kommen würde, aber sie jetzt so vor sich zu sehen haute ihn doch ziemlich um … vor allem, weil sie ganz anders aussah als in seiner Erinnerung. Heute waren diese üppigen Brüste züchtig unter einer jungfräulich weißen Bluse verborgen und nicht schamlos ausgestellt in einem großzügigen Dekolleté, das ihm die Sinne vernebelt hatte. Und sie ragte auch nicht groß in sexy High Heels vor ihm auf, sondern trug zu ihrer Kellnerinnenuniform, bestehend aus einem schlichten schwarzen Rock, der weißen Bluse und einer Schürze, plumpe schwarze Schuhe. Das war alles andere als ein aufregender Aufzug, weshalb es umso abstruser war, dass Nikolai in seiner Fantasie unaufhörlich aufreizende Bilder von ihr vor sich sah.
„Du verstehst nicht, was hier vorgeht?“ Er konnte seine Wut kaum verbergen. „Wirklich nicht? Keine Ahnung?“
Sie schüttelte den Kopf, und die viel zu deutliche Erinnerung an Nikolais Küsse machte ihre Verwirrung perfekt. „Nein.“
„Dann denk gefälligst nach.“
Nach und nach begann sich das Chaos in ihrem Kopf zu lichten. Es gab nur eine Antwort, die Sinn ergab. „Ist das … ist das dein Haus hier?“
„Bravo!“ Er verzog spöttisch die Lippen. „ Eins meiner Häuser. Und? Gefällt es dir?“
Was sollte sie sagen? „Ja. Es ist wunderschön“, erwiderte sie schließlich zögernd.
„Das konnte man dir ansehen.“ Er lachte hart auf. „Ich habe dich nämlich beobachtet, als du hier ankamst.“
„Wirklich?“
„Ja, wirklich, angel moy. Ich habe sehr genau registriert, wie du dich hier umgeschaut hast.“ Und den Ausdruck, den er an ihr entdeckt hatte, kannte er zur Genüge. Die ehrfürchtigen Gesichter der Leute, die wie geblendet waren von dem Reichtum, den sie selbst begehrten. Man konnte es Neid nennen oder auch Gier, Nikolai aber war egal, wie man es bezeichnete, er wusste nur, dass Geld die Macht hatte, Menschen zu verändern. Die Gier nach Geld brachte Menschen dazu, Dinge zu tun, die sie normalerweise nie tun würden, brachte sie dazu, sich selbst zu entwürdigen. Sich zu verkaufen. Ihre nächsten Angehörigen zu verraten. Die Gier nach Geld raubte den Menschen ihr Mitgefühl, ihre guten Eigenschaften, die Gier nach Geld wirkte zerstörerisch. Wer wüsste das besser als er?
Als Zara den finsteren, gehetzten Zug sah, der über sein verschlossenes Gesicht huschte, fröstelte sie. „Warum bin ich hier?“, flüsterte sie.
„Oh, bitte, spiel jetzt nicht das arme Opfer, dafür gibt es nämlich nicht den geringsten Grund.“ Er zuckte mit den Schultern. „Es ist ganz einfach. Du arbeitest heute Abend für mich. Ich habe dich extra angefordert. Es ist meine Party. Wusstest du das nicht?“
Sie schüttelte den Kopf. „Es ist nicht üblich, dass wir vor dem Einsatz die Namen unserer Auftraggeber erfahren.“
„Nun, jetzt weißt du Bescheid, angel moy, finde dich damit ab. Heute bin ich der Chef, und du tust, was ich sage. Du wirst Essen servieren, Drinks reichen. Dafür sorgen, dass meine Gäste sich wohlfühlen. Dass ich mich wohlfühle. Aber du weißt ja, wie das läuft, schließlich kennst du das Geschäft, oder? Ich bin offen gestanden etwas überrascht über deine wahre Identität und frage mich, was deine Motive für diese Maskerade bei dem Ball in der Botschaft waren. Aber darüber reden wir später.“
Sein Blick blieb an ihren bebenden Lippen hängen, und Nikolai musste sich zurückhalten, um sie nicht auf der Stelle zu küssen. Und dann? Er ermahnte sich zur Zurückhaltung. Sein Verlangen konnte, es musste warten. „Ich freue mich schon darauf, mehr über dich zu erfahren, Zara.“
Nach diesen geflüsterten Worten, die wie eine Drohung klangen, wandte er sich ab und ging weiter. Zara schaute ihm ungläubig nach. Er hatte sie „extra angefordert“? Was meinte er damit? Als
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