Julia Extra Band 348
bin sicher, dass er nie auf die Idee gekommen wäre.“
„Oh doch, das ist er.“ Sherman lachte wieder, dann beugte er sich vor und küsste Chloe auf die Wange. „Danke, dass du es ihm ausgeredet hast.“ Bevor sie ihm widersprechen konnte, fügte er hinzu: „Du weißt genauso gut wie ich, dass du die einzige Person bist, auf die er hört.“
„Glaub mir, Burton Cummings hat nicht mehr bei den The Guess Who gespielt, als er ‚I will play a Rhapsody‘ aufgenommen hat.“
Doch Simon schüttelte den Kopf. „Du irrst dich.“
Beide waren schon seit der Highschool Fans des kanadischen Songwriters. Besonders gerne mochten sie die Sachen, die er als Solokünstler aufgenommen hatte.
„Ich irre mich nicht“, erwiderte sie. „Aber ich glaube nicht, dass der DJ den Song in seinem Repertoire hat.“
„Hat er auch nicht. Aber er hat einen anderen Song von Cummings dabei.“
Chloe kniff die Augen zusammen. „Welchen?“ Das Stück begann, und sie wusste die Antwort. ‚Stand tall‘, ein Lied über einen Mann, der seiner Verflossenen hinterhertrauert. Der Song war grandios, aber nicht gerade passend für eine Hochzeit.
„Simon, das hast du nicht gemacht.“
„Was?“ Unschuldig zuckte er mit den Schultern. „Ich mag den Song. Und du magst ihn auch.“
„Mögen ist nicht gerade das richtige Wort“, wandte Chloe ein. Sie hörte ihn nur, wenn sie Liebeskummer hatte.
„Und er ist langsam“, sagte Simon. „Du hast gesagt, dass du mit mir tanzen würdest. Und ich werde dich auch vor der Braut beschützen – du willst doch barfuß tanzen.“
Er streckte ihr seine Hand entgegen. Sein Lächeln war verwegen, aber einnehmend. Wie sollte sie da widerstehen?
Sein Lächeln war interessanterweise nicht das Einzige, was Chloe unwiderstehlich fand, sobald sie auf der Tanzfläche waren und Simon sie in die Arme nahm. Ihre Körper berührten sich und stießen aneinander. Beide machten einen Schritt zurück, sodass eine Lücke zwischen ihnen entstand, in der Orson Welles bequem Platz gefunden hätte. Langsam näherten sie sich einander wieder, hielten aber ein wenig Abstand.
Ihre Schwester sagte Keuschheitsabstand dazu. Frannie behauptete, dass ein Mann, der Interesse an einer Frau hatte, diesen Abstand nicht einhielt, um ihr so deutlich zu machen, was er später am Abend vorhatte. Selbstverständlich war Frannie in der Zeit vor ihrer Ehe eine wahre Engtanzkönigin gewesen. Aber sie hatte recht: Wenn ein Mann eine Frau wollte, zog er sie eng an sich. Chloe musste an ihren Exfreund denken. Während ihrer gesamten viermonatigen Beziehung war die Keuschheitslücke zwischen ihnen nicht kleiner geworden.
„Vielleicht hat er zu viel Achtung vor dir“, hatte Simon vermutet.
Diese Erklärung hatte ihr besser gefallen als die ihrer Schwester, die meinte, der Typ hätte nur etwas mit Chloe angefangen, weil sie ihm kostenlos Entwürfe machte, die er für seine Firmengründung brauchte. Sie hatte ein paar – gut, insgesamt waren es sieben gewesen – Werbebroschüren und Flyer für ihn gestaltet. Und ihm ein Logo entworfen und einen Slogan für ihn getextet. Und ihm Kontakte zu jungen Webdesignern verschafft, die für das, was sie leisteten, ziemlich günstig waren. Jetzt, wo sie darüber nachdachte, fiel ihr auf, dass er Schluss gemacht hatte, sobald seine Webseite live geschaltet worden war.
„Warum schaust du so grimmig?“, fragte Simon. „Wie geht es deinen Füßen?“
Besser als ihrem Selbstwertgefühl. Sie lächelte. „Es ist ganz gut, dass ich gerade keine Schuhe anhabe.“
„Ich glaube, mein Vater hat mir gerade gewunken.“ Simon runzelte die Stirn.
„Was?“ Sie sah sich um. Mr Ford saß strahlend an der Stirnseite des Tisches, neben sich die nicht allzu glücklich wirkende Braut. Gerade hob er wieder die Hand, diesmal, um Chloe zuzuwinken. „Wahrscheinlich freut er sich darüber, wie lange du dich schon gut benimmst.“
Das Lied verklang und ein weiterer langsamer Song ertönte. Simon und Chloe blieben auf der Tanzfläche. Die meisten anderen Jüngeren verschwanden. Nun wurde ein Oldie gespielt, aus der Zeit der Crooner wie Bing Crosby und Frank Sinatra.
Das brachte Chloe auf einen Gedanken.
„Was meinst du – wie viele Tanzstunden muss ich nehmen, damit ich die Standardtänze kann?“, fragte sie.
„Ich weiß nicht. Warum?“
„Es wäre doch ganz nett, bei dem Klassentreffen ein bisschen mehr draufzuhaben, als sich zu drehen wie ein Kreisel.“
Simon hob die Brauen. „Machst du
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