Julia Extra Band 348
ist nicht mein Typ . Genau das hatte Simon über die geheimnisvolle Frau gesagt, als sie am Abend nach dem Kuss miteinander telefoniert hatten.
„Und bist du in anderer Weise an ihm interessiert?“, fragte Millicent.
„Ich lasse es nicht wirklich zu.“
„Das ist eine sonderbare Antwort. Warum denn nicht?“
„Er ist mein bester Freund. Wenn ich mich irre, laufe ich nicht nur Gefahr, mich lächerlich zu machen, sondern auch, ihn zu verlieren.“
„Und wenn du dich nicht irrst?“
Darüber nachzudenken würde viel Zeit in Anspruch nehmen, und ein Blick auf die Uhr verriet Chloe, dass sie überhaupt keine Zeit mehr hatte.
Als sie eine Viertelstunde später in dem neuen, gehobenen Restaurant im Theaterviertel ankam, saß Simon bereits am Tisch. Im Verlauf der letzten zehn Jahre hatte sie mit ihm viele neue Restaurants ausprobiert, und bislang war es ihr nie komisch vorgekommen, dass sie wie ein Paar miteinander ausgingen. Doch heute legte sie jedes seiner Worte und jede seiner Gesten auf die Waagschale.
Als sie den Tisch erreichte, erhob er sich. Sie wusste, dass Simon ihr den Stuhl angeboten hätte, wenn der Oberkellner ihm nicht zuvorgekommen wäre.
„Ich habe mir erlaubt, schon mal eine Vorspeise und Wein zu bestellen. Weißen“, ergänzte er, bevor sie etwas einwenden konnte. „Und mach dir keine Sorgen wegen deiner Diät. Ein kleiner Teller Bruschetta mit Tomate und Basilikum wird dich nicht umbringen.“
„Danke.“
„Ein weiterer Kandidat für das Klassentreffen?“, fragte er und ließ seinen Blick über ihr Kleid schweifen.
Sie nickte. „Was meinst du?“
„Ich meine, dass du auch in einem Kartoffelsack großartig aussehen würdest, aber das Kleid schlägt einen Kartoffelsack um Längen.“
Es war genau die Art von Kompliment, die sie normalerweise mit einem Lachen abtun würde. Doch jetzt bekam sie Herzklopfen, und ihr Mund wurde trocken.
Offenbar bemerkte er das. „Das gefällt mir.“
„Was?“
„Dass du die Wahrheit endlich einmal akzeptierst. Anstatt herumzudiskutieren oder über das, was ich sage, hinwegzugehen.“ Er nickte. „Ja. Das gefällt mir, definitiv.“
Der Kellner erschien mit ihrem Wein, was Chloe sehr gelegen kam. Denn sie wusste wirklich nicht, was sie darauf erwidern sollte.
Das Essen und die Atmosphäre ließen nichts zu wünschen übrig. Wie immer ging ihnen der Gesprächsstoff nicht aus, wenn auch ab und zu ihre oder seine Gedanken abschweiften. Das Schweigen, welches dabei entstand, war nicht gerade unangenehm, aber sehr bedeutungsschwanger.
Am Ende des Abends entstand eine peinliche Situation; als sie das Restaurant verlassen hatten und er ein Taxi für Chloe herbeigewunken hatte, beugte er sich vor, um sie auf die Wange zu küssen. Sie bewegten sich beide in die gleiche Richtung und dann beide in die andere Richtung. Schließlich umfasste er ihr Gesicht und drehte es zur Seite, sodass er ihr ein Küsschen auf die Wange geben konnte.
Beide lachten darüber, aber irgendetwas war komisch zwischen ihnen.
Am folgenden Nachmittag machte sich Simon mit halsbrecherischer Geschwindigkeit auf den Weg zu Chloes Wohnung, nachdem seine Sekretärin ihm mitgeteilt hatte, dass Chloe ihn unbedingt sehen wolle und es um Leben und Tod ginge.
Er hätte daran denken sollen, dass Chloe zur Übertreibung neigte. Aber er genoss das Schauspiel, das sich ihm bot. Aufgebracht lief sie mit erhobener Faust in ihrem winzigen Wohnzimmer auf und ab.
„Ich fasse es nicht, dass ich diesen Brief, in dem wir aufgefordert werden, eine Kurzbiografie für unser Klassenalbum zu schreiben, erst heute bekommen habe! Wann ist er bei dir angekommen?“
„Zusammen mit der Einladung.“
„Die du eine Woche vor mir bekommen hast.“
„Das war sicherlich ein Versehen.“
Sie blieb stehen. „Ein Versehen? Von wegen. Das war Absicht. Jetzt bleibt mir nur ein Tag, um es rechtzeitig hinzuschicken. Wie soll ich das schaffen?“
„Du hast doch noch etwas Zeit. Du kannst es per E-Mail hinschicken. Das Heft geht erst morgen in den Druck.“
„Ich brauche mehr Zeit.“
„Wofür? Es ist nur eine Kurzbiografie. Das sind nicht mehr als dreihundertfünfzig Wörter.“
„Es ist genauso wie damals beim Jahrbuch.“
„Nein.“
Aber er musste sich schweigend eingestehen, dass es doch so war. Damals war Chloes Foto für das Jahrbuch auf undurchsichtige Weise abhandengekommen. Stattdessen hatten sie ihr Porträt aus einem Foto von der Spirit Week ausgeschnitten, auf dem ihr Gesicht in den
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