Julia Extra Band 348
gleich.
Er drückte das Gaspedal noch weiter durch. In seiner jetzigen Stimmung war rasantes Fahren sicherer als Denken. Doch wie sollte er nicht an Anna denken, wenn er vor Wut fast explodierte?
Er verfluchte Anna Orsini und sich selbst. Wie hatte er die grundlegende Regel vergessen können, dass man Geschäft und Vergnügen nie miteinander vermischt?
Sicher, Anna war attraktiv, aber das waren andere Frauen auch. Er kannte Dutzende attraktive Frauen. Hatte er nicht gerade eine in Hawaii sitzen lassen? Ehrlich gesagt sah Giselle sogar besser aus.
Vielleicht auch nicht. Sie gab sich nur mehr Mühe, ihm zu gefallen. Er hatte keine Ahnung, wie viel Zeit sie darauf verwandte, sich so zurechtzumachen, dass sie nicht zurechtgemacht wirkte. In den ganzen zwei Monaten hatte er sie nicht einmal zerzaust oder unfrisiert gesehen – oder doch, aber dann kunstvoll arrangiert. Vermutlich schlich sie sich im Morgengrauen ins Bad, um sich zu schminken und zu frisieren, bevor er aufwachte.
Anna hatte sich keine solchen Umstände gemacht. Sie hatte alles andere als herausgeputzt ausgesehen.
Seine Finger umklammerten das Lenkrad fester.
Sie hatte ausgesehen wie eine Frau, die jeden Moment in den Armen ihres Liebhabers genossen hatte.
Und warum hatte sie es dann für nötig gehalten, darauf hinzuweisen, dass der Disput zwischen ihnen nicht geklärt war? Hatte sie denn nichts anderes im Kopf als dieses verfluchte Stück Land?
Vermutlich nicht. Die Frau hatte ein echtes Problem mit ihrem Auftreten. Sie hatte eine Meinung zu allem, war stur, widerspenstig und stritt sich wegen jeder Kleinigkeit. Er musste verrückt gewesen sein, sich mit ihr einzulassen.
Draco fuhr immer noch zu schnell. Glücklicherweise hatte er den Stadtkern inzwischen hinter sich gelassen. Das war einer der Vorteile, wenn man abseits der Via Appia Antica lebte. Nur eine Handvoll Villen, viel Grün und viel Platz.
Platz, metaphorisch gesprochen, war genau das, was er jetzt brauchte.
Unfassbar, dass Anna überhaupt an das Land denken konnte, nachdem sie sich stundenlang geliebt hatten.
Stopp. Sie hatten sich nicht geliebt, sie hatten Sex gehabt. Anna hatte das sehr deutlich betont. Zu Recht. Es gefiel ihm, dass sie Sex so unverschnörkelt sah und sich zu ihrer Lust bekannte. Und der Himmel konnte bezeugen, dass sie heißen Sex gehabt hatten – im Bett und außerhalb des Bettes. Im Stehen an die Wand gelehnt, vor dem Spiegel im Bad, in der Dusche …
Er musste verrückt sein! Anders war es nicht zu erklären, dass ihm Bilder von einer Frau einheizten, der er besser nie begegnet wäre!
Die Tore zu seiner Villa tauchten auf. Draco bremste ab und drückte die Fernbedienung.
Fakt blieb, sie hatten Sex gehabt. Anschließend hatte Anna sie beide wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt, indem sie ihn beschuldigte, er hätte die Nacht für eine Art quid pro quo gehalten.
Was es gewesen war, dachte er grimmig, als er den Motor abstellte, war Lust. Pure, unverfälschte Lust.
Eine Lust, die in ihm geschwelt und ihn verzehrt hatte, obwohl er es sich nicht hatte eingestehen wollen. Bis Anna die Tür ihres Hotelzimmers geöffnet hatte – ungeschminkt, das nasse Haar eine ungebändigte Lockenmähne. Sie war so verletzlich und so stark.
Er würde jetzt nicht versuchen zu ergründen, wie eine Frau gleichzeitig verletzlich und stark wirken konnte. Bei Anna war es einfach so. Sie war zu komplex für ihr eigenes Seelenheil – und definitiv für seines. Dennoch wollte er sie. Noch immer.
Genau, wie sie ihn wollte, obwohl er angeblich ihr Gegner war.
Ihre ehrliche Einstellung zu Sex gefiel ihm. Es war unsinnig, ihr vorzuhalten, dass sie offen aussprach, was jeder Mann denken würde.
Ging es darum? War er wütend auf Anna Orsini, weil sie eine schöne und begehrenswerte Frau war, die ihre Gedanken wie ein Mann aussprach und ihre Lust wie ein Mann auslebte? Eine solche Frau hatte er noch nie kennengelernt. Fühlte er sich unwohl dabei?
Oder ging es tiefer? Wollte etwa ein ursprünglicher dunkler Teil von ihm wissen, ob sie es bei anderen Männern auch so hielt? War sie mit anderen Männern ebenso heiß und leidenschaftlich, wie sie es bei ihm gewesen war?
Es sollte ihm gleichgültig sein.
Draco schlug mit den Händen auf das Lenkrad. Das Ganze entbehrte jeglicher Logik. Er hatte einen Fehler gemacht. Er hätte die Angelegenheit mit Cesare Orsini niemals so weit kommen lassen dürfen, hätte sich niemals ohne eigenen Anwalt mit Orsinis Repräsentanten
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