Julia Extra Band 358
unerreichbar wie an jenem Abend, als er sie zum letzten Mal gesehen und sie ihm den Rücken gekehrt hatte.
Viel Zeit, über sich und Alyssa nachzudenken, hatte er in den letzten Tagen nicht gehabt. Doch er hatte jeden freien Moment genutzt und schließlich einen Entschluss gefasst, an den er sich auf jeden Fall halten würde.
Lysander kontrollierte seine Instrumente und versuchte, nicht länger an die Frau zu denken, die ihm zum Abschied gesagt hatte, er solle sich zur Hölle scheren. Er bediente Hebel und las Anzeigen ab, doch es war unmöglich, Alyssa aus seinen Gedanken zu schließen.
Lange genug hatte er für sein Volk gekämpft und um dessen Rechte verhandelt. Jetzt ging es darum, sein Privatleben zu regeln. Er musste sich mit der einzigartigen und provozierenden Frau auseinandersetzen, die sein Leben aus den Fugen gebracht hatte. Diese Nacht war die Nacht der Entscheidung. Endlich!
Und so setzte Lysander zur Landung an, um sich auf den Weg zu ihr zu begeben – zu der Frau, die sein Schicksal in ihren Händen hielt.
1. KAPITEL
Vier Wochen zuvor.
Ich habe Urlaub und ich amüsiere mich prächtig, redete sich Alyssa immer wieder ein. Was machte es schon, wenn der Regen unaufhörlich auf das Zeltdach prasselte? Englische Sommer mussten so sein!
Sie zog die Knie an und verschränkte die Arme vor den Beinen. Dieser Platz war wirklich ideal, wunderbar einsam und ringsumher nichts als unberührte Natur. Der richtige Ort, um mit der Vergangenheit abzuschließen und einen Neuanfang zu planen. Doch anstatt die Ruhe des Waldes zu genießen und sich mit neuen Möglichkeiten zu befassen, hing Alyssa nur ihren düsteren Erinnerungen nach.
Jetzt klingelte auch noch ihr Handy! Es war Karen, eine gute Freundin, aber leider auch Chefin ihrer Vermittlungsagentur.
„Du weißt doch, dass ich nicht gestört werden möchte!“, seufzte Alyssa.
„Ich möchte nur wissen, was du so machst – ich habe gerade an dich gedacht.“
„Karen, du führst doch etwas im Schilde, das höre ich deiner Stimme an.“
„Hast du hellseherische Fähigkeiten? Alyssa, der neue Herrscher von Rosara hat sich bei mir gemeldet. Er möchte dich als Betreuerin für seinen Neffen.“
Alyssa schluckte.
In den letzten Tagen hatte ein tragisches Ereignis im Mittelpunkt des Medieninteresses gestanden. Der kleine Ra’id Kahani hatte mit seinen Eltern in deren Haus in England Urlaub gemacht und war durch einen schrecklichen Autounfall über Nacht zum Waisenkind geworden.
Doch nicht nur über diese menschliche Tragödie wurde ausführlich berichtet, sondern auch über ihre politischen Auswirkungen. Prinz Lysander Kahani, Bruder des tödlich verunglückten Königs von Rosara und jetzt offizieller Vormund des kleinen Thronfolgers, war plötzlich zum Staatsmann geworden. Dieser Prinz war bisher ausschließlich als Lebemann und Frauenheld in Erscheinung getreten. Als erklärter Liebling der Regenbogenpresse stand er inzwischen stärker im Interesse der Öffentlichkeit als der kleine Ra’id.
„Du bist Prinz Lysander besonders empfohlen worden“, redete Karen weiter. „Natürlich möchte er für seinen Neffen die beste Nanny, die für Geld zu haben ist.“
„Wenn nur die Hälfte von dem stimmt, was man über seinen ausschweifenden Lebenswandel hört, wird er die auch brauchen“, spottete Alyssa.
„Genau.“ Karen taktierte geschickt. „Deshalb habe ich dem Hofbeamten am Telefon gleich gesagt, dass du bestimmt ablehnen würdest. Du findest sicher einen angenehmeren Arbeitgeber als ausgerechnet einen Playboy, für den ein kleines Kind nur ein lästiges Übel ist.“
Karen wollte sie unbedingt dazu bringen, die Stelle anzunehmen, das spürte Alyssa genau. Vielleicht wäre das auch wirklich gar nicht so schlecht. Hier bot sich die Möglichkeit, ihren Plan von einem Neuanfang in die Tat umzusetzen.
Außerdem rührte das Schicksal des kleinen Prinzen ihr Herz. In dem ganzen Chaos brauchte er zweifellos eine erfahrene Erzieherin, die ihm half, die Katastrophe zu verarbeiten. Überzeugt, Ra’id Kahani eine Hilfe und Stütze sein zu können, traf sie in Sekundenschnelle eine weitreichende Entscheidung.
„Ruf den Hofbeamten bitte wieder an und sage ihm, du hättest dich in mir getäuscht. Ich nehme den Job, Karen!“
Karen war eine Weile still, dann lachte sie laut. „Und Prinz Lysander? Hast du keine Angst, dein Herz an ihn zu verlieren? Offensichtlich ist keine Frau der Welt gegen seinen Charme gefeit.“
„Nach meinen Erfahrungen aus den
Weitere Kostenlose Bücher