Julia Extra Band 358
Da waren noch etliche Probleme. Was Alyssa betraf, gab es keine Sicherheit. Bei ihr war er noch längst nicht am Ziel seiner Wünsche.
Lysander blickte auf die Armaturen und merkte sich die Uhrzeit. Ein exaktes Timing seines nächsten Schachzugs war von größter Bedeutung. Er biss sich auf die Lippe. Der Grund seiner schlaflosen Nächte würde sich zu dieser Sekunde in Ra’ids Schlafzimmer aufhalten und mit der allabendlichen Routine fast fertig sein. Aller Wahrscheinlichkeit nach benahm sie sich ruhig und beherrscht und war mit sich und der Welt im Reinen – weil sie noch nichts von seinem Kommen ahnte.
Bald jedoch würde Alyssa Dene nicht mehr die kompetente und überlegene Frau sein, als die man sie kannte – sie würde eher einem Vulkan gleichen.
Lysander lachte, und das pure Adrenalin schoss ihm durch die Adern. Sein alter Kindheitstraum, nach Hause zu kommen und überglücklich und mit offenen Armen empfangen zu werden, würde sich endlich erfüllen – jedoch nur, wenn selbst das kleinste Detail so lief, wie er es geplant hatte.
Noch gehörte Alyssa ihm nicht.
In seiner Heimat mochte er der siegreiche König und Held sein, doch Alyssa musste er erst noch für sich gewinnen. Welch Ironie des Schicksals!
Dieser Kampf konnte für ihn der härteste seines Lebens werden, doch auch ihn würde er bestehen. Zweiunddreißig Jahre war er jetzt alt und zwei Mal hatte ihn eine Tragödie aus der Bahn geworfen. Ein drittes Mal sollte es nicht geben, das hatte er sich geschworen, und bisher war auch alles nach Plan gelaufen – nach seinem Plan. Würde das so bleiben?
Wieder wollte er nach der Brusttasche greifen, doch er unterband die Bewegung und ließ die Hand auf dem Steuerknüppel liegen. Er war zu Ruhm und Ehren gekommen und seine politische Position war gesichert, daran änderte der Schnappschuss nicht das Geringste. Das Foto blieb, wo es war.
Lysander wusste genau, wie Alyssa jetzt aussah, wenn sie sich in den einladend wohnlichen Räumen bewegte, die den Stempel ihrer Persönlichkeit trugen. So wollte er sie bis zum Ende in Erinnerung behalten, egal, wie dieses Ende auch ausfallen mochte.
Ein Schatten flog über sein Gesicht. Lysander war sich der Gefahr bewusst. Das erste Mal in seinem Leben hatte er die Fäden nicht fest in der Hand, und ein Misserfolg war nicht auszuschließen. Doch er war fest entschlossen, sich der Situation zu stellen. Lange genug hatte er sich mit unnötigen Grübeleien gequält. Immer wieder hatte er über sein bisheriges Verhalten nachgedacht und ihre Reaktion darauf zu deuten versucht.
Jetzt kam er zurück und bot ihr die Chance ihres Lebens. Würde Alyssa diese ergreifen oder ausschlagen?
Wieder ertappte er sich dabei, wie er mit den Zähnen knirschte. So erging es ihm stets, wenn er an die wütenden Worte dachte, die er Alyssa an den Kopf geworfen hatte an jenem Abend, als er ging, um den Thron Rosaras zu sichern.
Vor Anspannung presste er die Zähne aufeinander, bis sie schmerzten. Zwanghaft griff er in seine Brusttasche, zog das Foto heraus und legte es auf das Instrumentenbrett. Plötzlich schien die Zeit stillzustehen.
In seinem Herzen wurde es auf einmal wieder Sommer. Alyssa war die Frau, die er begehrte und die eine Leidenschaft in ihm entfachte, sengender als jede Wüstensonne. Doch er war gezwungen gewesen, sich zwischen seinen Gefühlen und seinem Vaterland zu entscheiden. Alyssa hatte ihm aus berechtigtem Grund den Rücken gekehrt, und das würde ihm ewig auf der Seele liegen. In den Augen der Welt war er ein erfolgreicher Mann, hatte alle Schlachten und die Herzen seiner Untertanen gewonnen. Aber die wichtigste Auseinandersetzung, der Kampf um Alyssa, war noch nicht entschieden.
Tief durchatmend versuchte er, sich ausschließlich auf seine Instrumente und die bevorstehende Landung zu konzentrieren. Doch das Problem ließ sich nicht verdrängen: Er würde Alyssa nicht in die Augen blicken können.
Alyssa – ihr Name war so bezaubernd wie ihr Aussehen! Das Foto ließ die Erinnerung an ihr blondes Haar so lebendig werden, als würden seine Finger damit spielen. Der Badeanzug, den sie auf dem Bild trug, war nicht aufreizend geschnitten, doch das glänzende smaragdgrüne Material schmiegte sich verführerisch eng um ihre vollen Brüste, die schmale Taille und die sanft gerundeten Hüften. Selbst mit geschlossenen Augen würden seine Hände ihren Körper sofort erkennen. Alyssas Körpersprache jedoch beunruhigte ihn. Sie wirkte ebenso kühl und
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