Julia Extra Band 358
unterbrach Alyssa ihn schnell, „und das tut mir leid! Meine vorlaute Bemerkung ist mir wirklich peinlich. Doch mir geht es ausschließlich um Ra’ids Wohlergehen, nicht um Ihre Gefühle!“
„Das respektiere ich. Sie haben mich jedoch nicht ausreden lassen, ich wollte Ihnen nämlich meine Lage erklären. Ich bin rund um die Uhr damit beschäftigt, Ordnung in das Chaos zu bringen, das durch den Tod meines Bruders entstanden ist. Für Selbstmitleid bleibt da wenig Zeit“, fügte er mit leiser Selbstironie hinzu.
„Wenn ich mich um Ihren Neffen kümmere, haben Sie eine Sorge weniger, das verspreche ich Ihnen.“
„Das klingt, als ob Sie Ihre Aufgabe sehr ernst nehmen würden!“
„So ist es auch gemeint. Ich sehe meine Aufgabe darin, für eine gesunde körperliche und geistige Entwicklung Ihres Neffen zu sorgen.“
„Das haben Sie vortrefflich formuliert, doch ganz nebenbei sollen Sie auch noch etwas Sonnenschein in mein Leben bringen.“ Er lächelte strahlend. „Fangen wir gleich damit an. Da wir die beiden wichtigsten Bezugspersonen für Ra’id sind, sollten wir als Team arbeiten und auf alle Formalitäten verzichten. Für dich bin ich Lysander, und du bist für mich Alyssa.“
So sinnvoll Alyssa das in Ra’ids Sinne auch fand, hatte sie doch Probleme mit diesem Vorschlag. Sie fand es jetzt schon schwer, den Prinzen auf Abstand zu halten und wenn sie sich duzten, würde eine wichtige Barriere fallen. Doch er war ihr Boss, und sie musste sich fügen.
„Also gut … Lysander“, antwortete sie daher ruhig. „Du kannst mir vertrauen, ich werde mich um Ra’id kümmern, als wäre er mein eigenes Kind.“
Er zog die Brauen hoch. „Wenn du ihn erst kennenlernst, wirst du anders reden.“
Alyssa ließ sich nicht aus dem Konzept bringen. „Für mich geht es allein um Ra’ids Wohlergehen, nicht um deine Empfindungen. Natürlich stehst du unter Druck, du hast deine nächsten Angehörigen verloren und wurdest gezwungen, dein Leben auf den Kopf zu stellen. Daran lässt sich nichts ändern, ändern können wir nur Ra’ids Situation, wir müssen alles dafür tun, dass er sich gesund entwickelt und behutsam auf seine zukünftige Rolle vorbereitet wird.“
„So hat noch niemand mit mir gesprochen.“
Alyssa wusste, wie riskant ihre Worte gewesen waren. Sie hatte sich auf die Wirkung verlassen, die sie offensichtlich auf den Prinzen ausübte, und war damit durchgekommen. Doch auf ihre weiblichen Reize zu setzen, war eine gefährliche Taktik.
„In Ra’ids Interesse sollten wir offen miteinander reden. Was für ein Verhältnis hast du zu ihm?“
„Gar keins.“ In komischer Verzweiflung schüttelte er den Kopf. „Dieses Anwesen hier in England dient unserer Familie schon seit Jahren als Fluchtburg, und so habe ich mich hier mit meinem Bruder, seiner Frau und seinem Sohn oft getroffen. Wirklichen Kontakt zu Ra’id hatte ich dabei allerdings nie.“
Etwas Ähnliches hatte sich Alyssa bereits gedacht. „Und jetzt gibst du dich damit zufrieden, den armen Kleinen völlig fremden Menschen anzuvertrauen?“
„Natürlich.“ Er lächelte arrogant. „Allerdings nur, wenn sie die allerbesten Referenzen vorweisen können. Da ich nichts von Kindern verstehe, sehe ich keine andere Möglichkeit.“
„Lysander!“
Ärgerlich sah er sie an. „Seit seine letzte Nanny das Handtuch geworfen hat, ist Ra’id von dem Personal, das für ihn zuständig ist, bestens betreut worden … das nehme ich jedenfalls an.“ Er biss sich auf die Lippe. „Nein, ich bin überzeugt davon.“
Alyssa spürte, wie sehr er sich darüber ärgerte, nicht mit Fakten aufwarten zu können. Das würde sie sich merken, um es später zu ihrem Vorteil zu verwenden.
„Am besten, du machst dir selbst ein Bild. Ich lasse dich jetzt zu Ra’id bringen.“ Er wollte die Sprechanlage bedienen, doch Alyssa hielt ihn davon ab.
„Bitte bring du mich zu ihm, Lysander – du wolltest mir doch helfen.“
Wenn es sein musste, konnte Alyssa ebenso gewinnend lächeln wie seine Königliche Hoheit Prinz Lysander von Rosara.
2. KAPITEL
Lysander ließ sich durch Alyssas Lächeln nicht täuschen. Es erreichte nicht ihre Augen und ihre Körperhaltung signalisierte Abwehr. Trotzdem, der Trick, ihn mit seiner eigenen Strategie schlagen zu wollen, beeindruckte ihn. Er konnte es sich erlauben, großzügig zu sein, denn letzten Endes würde er bekommen, was er wollte – das war bisher immer so gewesen.
Alyssa versuchte, ihm Widerstand
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