Julia Extra Band 358
jede ihrer Unterlagen einzeln vom Boden aufhob. Das Schweigen war vermutlich seine Art, sie für diese Ungeschicklichkeit abzustrafen. Zumindest konnte er ihr nicht vorwerfen, Schuld an den Turbulenzen zu sein!
Allerdings könnte er mir vorwerfen, die Situation bewusst ausgenutzt zu haben, überlegte Laura.
Zum Glück hatte sie ihm den Rücken zugewandt, sodass er ihre brandroten Wangen nicht sehen konnte. Ab sofort musste sie körperlich Distanz zu Vasilii wahren und ihre Gespräche auf rein berufliche Inhalte beschränken.
Er durfte nicht merken, wie leicht er sie aus der Fassung bringen konnte.
4. KAPITEL
„Vasilii, mein alter Freund!“
Die warmherzige Begrüßung des Hotelbesitzers am Hubschrauberlandeplatz gab Laura die Möglichkeit, sich unbeobachtet auf dem exklusiven Hotelgelände umzuschauen. Ein Helikopter hatte sie vom Flughafen zum Resort gebracht, und nun nahm der Besitzer Vasilii in Beschlag.
In der Eingangshalle war an nichts gespart worden. Europäischer Renaissancestil mischte sich mit Rokokoelementen und Byzantinischem Prunk, geschmackvoll kombiniert mit kräftigen Farben aus Fernost. Es fanden sich Schnitzereien anstelle von glatten Rahmen und Profilen, Seide und Satin statt Baumwolle, und mitten im Atrium stand sogar ein Springbrunnen mit hoher Wasserfontäne, die durch raffinierte Beleuchtung in zahlreichen Pastelltönen funkelte. An den Wänden und auf dem Fußboden waren aufwendige Mosaike eingearbeitet, und auf den eleganten Möbeln der zahlreichen Sitzgruppen saßen zierliche, braun gebrannte Damen in teurer Garderobe.
Laura konnte sich gar nicht sattsehen. Lächelnd nahm sie das heiße Handtuch zum Frischmachen entgegen, das ihr von einem dezent gekleideten Mitarbeiter gereicht wurde, und anschließend ein kühles Glas Champagner.
Soweit Laura wusste, gehörte das Spa dieses Hotels zu den besten der Welt, weil man sich dort sowohl an östlichen als auch an westlichen Bedürfnisstandards orientierte. Das Essen wurde von Sterneköchen zubereitet, es gab einen riesigen Golfplatz, mehrere Tennisplätze und ein eigenes Beautycenter. Man konnte sich hier sicher ausgesprochen wohlfühlen, auch wenn Laura kleinere und ruhigere Unterkünfte bevorzugte.
Während der Hotelchef darauf bestand, seinen Freund Vasilii persönlich durch die Suiten zu führen, kam eine elegant gekleidete Frau mit mörderisch hohen Absätzen auf Laura zu. „Herzlich willkommen! Ich bin Katinka von der PR-Abteilung des Hotels“, stellte sie sich vor. „Hatten wir beide E-Mail-Kontakt?“
„Ja, sicher“, bestätigte Laura eilig. „Ich bin Ihnen sehr dankbar für Ihren Einsatz in letzter Minute. Toll, dass wir die Suite noch mit den richtigen Blumen bestücken konnten!“
„Man hat die Pflanzen geliefert, und zur Stunde werden sie noch gekühlt. Ich kann Ihnen zeigen, wie die Dekorateure sie arrangieren wollen.“ Ihr perfekt geschminktes Gesicht hellte sich auf. „Mir gefiel Ihr Vorschlag sehr gut, uns von der chinesischen Kunst der Ming-Dynastie inspirieren zu lassen. Hoffentlich gefällt Ihnen unsere florale Interpretation. Wenn Sie mir bitte folgen möchten.“
Gemeinsam steuerten sie den Lift an, und Katinka reichte Laura ein ledernes Etui. „Sie brauchen diese Schlüssel, um in Ihre Privatetage zu gelangen. Ich habe ein Zimmermädchen angewiesen, Ihre Garderobe in die Schränke zu sortieren. Sie ist gestern geliefert worden. Und ich gebe zu, ich beneide Sie um diese moderne Kollektion. Hoffentlich nehmen Sie mir meine Offenheit nicht übel?“
„Nein, natürlich nicht“, versicherte Laura wahrheitsgemäß. Die Kleider waren nichts weiter als ein Statussymbol, das mit ihrem Job einherging.
Auf dem Weg nach oben plauderte Katinka weiter. „Dieses neue Hotel ist in der Tat höchst extravagant. Es hat unzählige Millionen gekostet.“ Höflich bedeutete sie Laura, als Erste den Lift zu verlassen. „Einer der kleineren Speisesäle steht Ihnen rund um die Uhr zu Ihrer persönlichen Verfügung. Dazu haben wir für morgen Abend ein Bankett in unserem Sternerestaurant vorbereitet – Ihren chinesischen Gästen zu Ehren.“
„Das klingt wunderbar. Stehen die Tische auch zentral? Reiche Chinesen fühlen sich oft beleidigt, wenn man sie an die Seite eines Raumes verbannt. Auch wenn wir Westeuropäer uns dort in der Regel wohler fühlen.“
„All Ihren Vorschlägen wurde entsprochen, und der Raum ist nach Feng-Shui-Maßgabe eingerichtet worden.“
„Wunderbar.“ Ihr gefiel Katinka, die in ihrer
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