Julia Extra Band 359
bezweifle ich nicht, aber dieses Geschäft ist nichts für dich – nicht, solange du bei mir bist.“
Clementine war enttäuscht und fragte sich, weshalb er dauernd auf das Ende ihrer Beziehung hinweisen musste.
„Hör mir zu, kisa .“ Sergej legte eine Fingerspitze unter ihr Kinn und hob es an. „Wenn du willst, besorge ich dir eine Stelle bei einem Luxuslabel.“
„Ich bin durchaus fähig, selber einen Job zu finden.“
„Heißt das, du wärst bereit zu bleiben?“
„Man könnte mich überreden.“
Nun hab ich sie, dachte Sergej triumphierend. Seine überschwängliche Freude überraschte ihn selbst. Normalerweise wäre spätestens jetzt der Zeitpunkt gekommen, an dem er das Weite gesucht hätte. Clementine wollte er jedoch noch ein bisschen länger bei sich haben, wollte sie weiter in den Armen halten, ihr in die Augen sehen, sie streicheln, sich in ihr verlieren. Er konnte einfach nicht genug von ihr bekommen.
In dieser Nacht liebten sie sich, als gäbe es kein Morgen. Danach fiel Clementine sofort in tiefen Schlaf.
Insgeheim war Sergej stolz darauf, es bewies seine Männlichkeit, aber natürlich hätte er das nie zugegeben. Er lag noch lange wach und betrachtete ihr Gesicht im Licht des Mondes. Sie ist wirklich die schönste Frau, der ich je begegnet bin.
Er musste eingeschlafen sein, denn plötzlich schien ihm, als hörte er Clementines Stimme. Angestrengt lauschte er ihren Worten. Sie erzählte ihm, wie sie ihr Elternhaus verlassen und sich in London durchgeschlagen hatte, erzählte von den Jobs, die sie durchlitten hatte und dass dabei nur der Gedanke sie aufrecht hielt, sie würde nicht klein beigeben, nie im Leben. Sie war entschlossen, die Welt zu erobern.
Ihm war klar, dass er nur Zeuge dieser Beichte wurde, weil sie dachte, er schliefe. Eher würde er sich die Zunge abbeißen, als sich zu verraten.
Dann begann sie, ihn zu streicheln und zu küssen, und er schlug die Augen auf. Clementine gab einen erstickten Laut von sich.
„Du bist wach!“
Eigentlich fand er die Situation amüsant, als er jedoch ihren erschreckten Gesichtsausdruck sah, versuchte er sie abzulenken und erzählte ihr von seinen eigenen schwierigen Anfängen.
„Wie kamst du überhaupt zum Boxsport?“, erkundigte sie sich schließlich.
„Das fing in der Armee an. Ich habe dort für Geld gekämpft. Irgendwann beschloss ich, selbst Kämpfe zu organisieren. Es ist ein hartes Geschäft, kisa .“
„Hast du sie dir dabei gebrochen?“, fragte sie und tippte ihm auf die Nase.
„Sogar zwei Mal, aber all das ist so lange her.“
„Es tut mir weh, wenn ich mir vorstelle, was du einstecken musstest.“ Sie streichelte seine Brust.
„Du weißt doch, ich bin ein harter Kerl. Ich bin stark im Nehmen.“
„Was ist eigentlich mit deiner Familie? Was hat die denn davon gehalten? Was hat deine Mutter dazu gesagt?“
„Sie starb, da war ich neunzehn. Tabletten. Es kam nie heraus, ob es ein Versehen oder Absicht war.“
Clementine hob den Kopf und starrte ihn an.
„Schau nicht so entsetzt! Es ist alles so lange her.“
„Aber das ist ja schrecklich – es geht um deine Mutter!“
„Ich will dir mal was über Mütter erzählen, kisa . Meine heiratete sehr jung. Mein Vater war Ingenieur – ein unglaublicher Träumer. Rückblickend würde ich sagen, er war manisch-depressiv.“ Er warf ihr einen verstohlenen Blick zu, denn er konnte selbst nicht fassen, dass er ihr all das erzählte. Sie hörte ihm aufmerksam zu und hatte die Augen weit aufgerissenen. „Meine Eltern liebten sich mit einer verzehrenden Leidenschaft und einer Ausschließlichkeit, die keinen Raum ließ für andere Menschen. Nicht einmal für ein Kind. Ihre Ehe war die reinste griechische Tragödie.“
Stumm blickte Clementine ihn an, als versuchte sie, sich das Kind vorzustellen, das er einst war.
„Papa lief eines Tages vor ein Auto – da war ich zehn. Von da an wurde alles anders. Meine Mutter heiratete nach ein paar Jahren wieder, aber mein Stiefvater und ich kamen nicht miteinander zurecht. Ich wurde in ein Militärinternat gesteckt, doch bevor du jetzt vor Mitleid zerfließt, kisa , es war wahrscheinlich am besten so. Ich habe meine Mutter danach nicht mehr oft gesehen. Mein Stiefvater machte ein Vermögen – und verlor alles wieder. Er schoss sich eine Kugel durch den Kopf. Nicht viel später folgte Mama ihm nach. Du siehst – meine Kindheit war ein Drama in vier Akten.“
Clementine schmiegte sich an seine Brust. „Du hast wirklich
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