Julia Extra Band 359
recht“, sagte sie.
„Womit habe ich recht?“
„Du bist stark im Nehmen.“
Eine Weile lagen sie still nebeneinander, dann flüsterte sie: „Ich will nicht zurück in die Stadt.“
„Hast du das Leben in einem Luxushotel satt?“, versuchte er zu scherzen.
„Es ist ein bisschen unpersönlich, findest du nicht? Nicht wie das echte Leben.“
Plötzlich fühlte er sich nicht wohl in seiner Haut. Eigentlich hatte er Clementine in das Strandhaus gebracht, um ein für alle Mal die Fronten zu klären. Stattdessen vertraute er ihr Dinge an, die er keinem anderen Menschen je erzählen würde. Er war von sich selbst überrascht, als er sagte: „Wie wäre es, wenn wir ab jetzt etwas mehr richtiges Leben ausprobierten?“
Sie hob den Kopf, und er las die Frage in ihren Augen.
„Ich nehme dich mit in mein Haus in der City. Das Hotelleben hat doch inzwischen einiges an Attraktivität verloren.“
Er hat eine Wohnung in New York, und trotzdem ist er mit mir in einem Hotel abgestiegen? Einen Moment lang hatte Clementine das Gefühl, ins Bodenlose zu fallen. „Ich verstehe“, sagte sie tonlos und senkte den Kopf.
Ich darf das nicht persönlich nehmen, dachte sie verzweifelt. Das alles hat überhaupt nichts mit meinen Erlebnissen mit Joe Carnegie zu tun. Sie war unsicher und verwirrt, da er sie nun in sein Heim bringen wollte. Was sollte sie davon halten? Wahrscheinlich ist es für ihn einfach bequemer so, sagte sie sich.
Sie sprang auf und lief ins Bad. Dort drehte sie den Wasserhahn bis zum Anschlag auf, damit Sergej nicht hörte, dass sie weinte.
8. KAPITEL
Auf der Rückfahrt in die City ließ Clementine das Wochenende noch einmal Revue passieren. Ab und zu warf sie einen verstohlenen Blick auf Sergej. Er war ungewöhnlich still, und sie hätte zu gern gewusst, was in ihm vorging.
Sie öffnete ihre Handtasche und suchte nach einem der Bonbons, die sie immer dabeihatte. Da sie nicht gleich eins fand, kippte sie den Inhalt der Tasche kurzerhand aus.
„Bist du auf Schatzsuche?“
„Sehr witzig.“ Auf ihrem Schoß befand sich jetzt ein buntes Sammelsurium: alte Fahrkarten, Kugelschreiber, ein Notizblock, Papiertaschentücher – und Lukes Kondome.
„Ich sehe, du bist für alles gerüstet, Clementine.“
„Die hat Luke mir in die Hand gedrückt, und zwar für das Date mit dir in St. Petersburg, wenn du es genau wissen willst. Als wenn man gleich am ersten Abend bei mir landen könnte!“ Sie konnte sich nicht verbeißen hinzuzufügen: „Dafür musstest du mich schon in ein Luxushotel am anderen Ende der Welt einladen.“
„Fass mal in meine Tasche“, forderte er sie unvermittelt auf.
„Sergej!“
„Komm, mach schon, ich beiße nicht.“
Clementine verdrehte die Augen, griff aber dann doch in die Außentasche seines Jacketts. Sie zog eine kleine Schachtel hervor. Neugierig hob sie den Deckel ab.
„Meine Kette!“
„Ich habe sie reparieren lassen.“
Ihr wurde ganz warm ums Herz, als er ihr die Kette anlegte.
„Jetzt sag aber bitte nicht, sie wäre eine Erinnerung an eine verflossene Liebe.“
„Keine Sorge. Ich habe sie mir selbst gekauft, an meinem achtzehnten Geburtstag.“ Sie streckte ihm ihr Handgelenk entgegen. „Diese Uhr habe ich mir geleistet, als ich den Job bei ‚Verado‘ bekam.“
„Du kaufst dir selber Schmuck?“ Sergej runzelte die Stirn.
„Warum denn nicht? Ein weiser Mann hat mal zu mir gesagt: Wenn es in deinem Leben keinen Menschen gibt, der wichtige Ereignisse gebührend mit dir feiert, dann musst du es eben selber tun.“ Sie lächelte verschmitzt. „Eine gute Ausrede, um meinem Laster zu frönen und shoppen zu gehen.“
„Eine schöne Frau sollte sich ihren Schmuck nicht selbst kaufen müssen!“
„Keine Sorge, die Männer wollen mir andauernd etwas schenken.“ Sie winkte achtlos ab. „Ich nehme es nur nicht.“
Die Message kam an – laut und deutlich. Sergej wünschte, er hätte dieses verdammte Diamanthalsband nicht gekauft. Er räusperte sich. „Du hast noch nie von deiner Familie erzählt … deinen Eltern.“
„Geschieden. Da war ich fünf.“
„Du bist bei deiner Mutter aufgewachsen?“
„Abwechselnd bei ihr in Melbourne und bei meinem Vater in Genf. Er ist Kriegskorrespondent. Seit ich siebzehn bin, lebe ich jedoch allein.“
„Bisschen jung, oder?“
„Schon, aber ich habe es geschafft.“
Das erklärt natürlich ihren demonstrativen Unabhängigkeitsdrang und auch die Unsicherheit, die sie manchmal an den Tag legt, dachte
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