Julia Extra Band 359
entschuldigen würde, um sich in die Frauenräume zurückzuziehen.
Ihm blieb also nichts anderes übrig, als zu ihr zu gehen. Er trat hinter ihren Stuhl und beugte sich leicht über ihre Schulter. „Ich möchte gerne mit dir sprechen, meine Frau.“
Ihr Kopf ruckte zu ihm herum, aufgebracht funkelte sie Harun an. „Wie dir sicher nicht entgangen ist, bin ich gerade ziemlich beschäftigt, mein lieber Mann.“ Trotzdem stand sie auf, die Wut hatte ihr wieder Leben eingehaucht.
Gut so, dachte Harun schmunzelnd und nahm ihre Hand, die sie ihm gnädig überließ. Er führte Amber auf einen Balkon auf der Rückseite des Palasts, wo sie ungestört waren. Sofort entriss sie ihm ihre Hand und verschränkte abwehrend die Arme.
Diesmal würde sie es ihm nicht leicht machen, sie würde nicht die Initiative ergreifen. Er musste den ersten Schritt tun und zur Abwechslung sie aus ihrer Defensive locken. „Hasst du mich jetzt, weil ich solange weggeblieben bin?“
Amber tappte ungeduldig mit dem Fuß auf den Boden und blickte zum Sternenhimmel hinauf, anstatt Harun anzusehen. „Warum sagst du nicht einfach, was du willst? Dann haben wir es hinter uns, und jeder kann sein Leben weiterleben.“
Ohne auf diese Bemerkung einzugehen, meinte er besorgt: „Du siehst so dünn aus. Geht es dir gut?“
„Danke, ja“, erwiderte sie kurz angebunden.
„Du bist doch meine Frau. Ich bin wie versprochen zu dir zurückgekehrt.“
„Ah, weil du dich an dein Juwel erinnert hast? Um dich ein Weilchen damit zu schmücken und dann wieder abzutauchen?“
„Nein, weil ich von meiner Frau ein bisschen Verständnis erwartet hätte.“
Ein weiterer gelangweilter Seufzer, das ungeduldige Fußtappen verstärkte sich. „Soso, deine Frau. Was verstehst du eigentlich darunter?“
„Ich dachte, das weißt du.“
Statt einer Antwort folgte eisiges Schweigen.
Allmählich fühlte Harun sich in eine Rolle gedrängt, die er nicht akzeptieren wollte. Das machte ihn angriffslustig. „Vielleicht weiß ich die Bedeutung einer Ehefrau nicht wirklich zu schätzen. Eines allerdings weiß ich genau: Ich will das zurück, was wir zusammen hatten. Ich wünsche mir Flitterwochen mit dir, die Aussicht auf ein gemeinsames Leben, wie wir es uns vorstellen …“
Höhnisches Lachen unterbrach ihn. „Ein Leben, wie wir es uns vorstellen? Was möchte ich wohl, Harun? Weißt du wenigstens so viel über mich? Weißt du überhaupt irgendetwas über mich?“
„Ich weiß, dass du tapfer bist, wunderschön und loyal“, erwiderte er sanft. „Ich weiß, dass du mir eine Chance nach der anderen gegeben und mir immer wieder verziehen hast. Du bist die Frau, die ich mir wünsche, mit der ich mein ganzes Leben verbringen möchte. Aber du hast recht, ich weiß nicht, was du dir wünschst. Um das herauszufinden, bin ich hier. Zählt das denn gar nicht?“
„Im Moment nicht, nein.“ Die Hände in die Hüften gestemmt, weigerte sie sich immer noch, ihn anzusehen.
„Ich verstehe.“
Ein verächtliches Schnauben war die Antwort.
„Ich verstehe dich wirklich.“ Mit einer raschen Bewegung streifte er ihr den Hijab, die traditionelle Kopfbedeckung, vom Kopf. „Du versteckst dich vor mir, so wie ich mich all die Jahre vor dir versteckt habe. Du bist nicht bereit, es mir leicht zu machen, und das habe ich auch nicht verdient.“ Leidenschaftlich zog er sie an sich und schob eine Hand in die Flut ihrer Haare, die ihr jetzt ungebändigt über die Schultern fielen. „Wenn ich an eine Ehefrau denke, dann denke ich an dich, mein schönes Juwel, so, wie du bist.“
„Nicht“, wehrte sie ab, allerdings nicht mehr ganz so energisch wie vorher. „Versuch ja nicht, dich mit schönen Worten bei mir einzuschmeicheln. Ich dachte, du bist … bist tot. Dass sie dich umgebracht haben. Dass du nie mehr zu mir zurückkehrst.“ Beinahe verzweifelt entwand sie sich seiner Umarmung.
Tränen schimmerten in ihren Augen, als sie ihm entgegenschleuderte: „Ich habe dich geliebt, mit ganzer Seele geliebt. Ich habe dir alles gegeben … Und du bist einfach gegangen. Hast mich eines Bruders wegen verlassen, der dich im Stich ließ, als du ihn am meisten brauchtest. Dir ist gar nicht bewusst, was du mir angetan hast, oder?“
„Aber er ist mein Bruder, meine einzige Familie. Ich hatte keine andere Wahl, es war meine Pflicht.“
„Und was ist mit mir?“ Ihr hitziges Temperament war wieder erwacht, ihre Augen blitzten. „War es auch deine Pflicht, mich zu verführen und dann im
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