Julia Extra Band 361
können.
Selbstverständlich hatte sie seine Reaktion bemerkt. Royce versuchte sich zu entspannen. „Warum?“
Mit dem Zeigefinger strich sie über seine warme Haut. „ Du kennst alle Leichen in meinem Keller.“
Royce stupste mit dem Finger gegen ihre Nasenspitze. „Bestimmt nicht alle. Ich weiß lediglich, dass du ein Faible für Abba hast und eine heimliche Vorliebe für Blaubeerpfannkuchen.“
Shara seufzte. „Ich wünschte, ich hätte dir das nie gesagt. Ich werde noch fett, wenn du sie mir weiterhin jeden Morgen zubereitest.“
„Hör auf, dich zu beschweren. Unser Karatetraining macht das mehr als wett.“ Er ließ eine Hand über Bauch und Rücken gleiten. „Außerdem liebe ich deine Kurven. So wie du soll eine Frau aussehen – nicht wie diese Strichmännchen in den Hochglanzmagazinen.“
„Und? Zu welcher Kategorie gehörte diese Frau?“
Er zuckte mit den Achseln. „Das ist bedeutungslos. Lohnt nicht, darüber zu sprechen.“
„Ich denke doch.“
Hartnäckig war sie. Wie er.
Er seufzte und schloss die Augen. „Eine simple Angelegenheit, wirklich. In meinen ersten Berufsjahren hatte mich ein wohlhabender Geschäftsmann engagiert. Ich sollte herausfinden, wer von seinen Hausangestellten seine Antiquitäten klaute. Fiona war seine Tochter. Vom ersten Tag an hat sie sich für mich interessiert.“
Shara holte sich einen raschen Kuss ab. „Warum auch nicht? So wie du aussiehst.“
„Das verdient noch einen Kuss“, sagte er und setzte seine Forderung sofort um.
Nach einer langen, betörenden Minute hob er wieder den Kopf. „Um es kurz zu machen – Fiona selbst hatte das Zeug geklaut. Also die Tochter. Sie war geschickt genug, ihre Drogenabhängigkeit vor ihrem Vater verbergen zu können. Um ihre Sucht zu finanzieren, hat sie ihren Vater bestohlen. Fast wäre sie damit durchgekommen – bis ich die Bühne betrat.“
Shara klatschte in die Hände. „Und wie hast du das geschafft?“
Er beugte sich zu ihr. „Ich kam eines Tages in ihr Haus und habe sie zufällig erwischt. Dann habe ich eins und eins zusammengezählt. Sie gab es sofort zu, bat mich aber, ihrem Vater nichts davon zu erzählen.“
„Und? Wie hast du reagiert?“
„Ich hatte doch keine Wahl.“
Shara nickte, als wollte sie ausdrücken, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte.
Royce sah sie an. Ihre Wertvorstellungen stimmten im Großen und Ganzen überein.
Sie war ebenso offen und ehrlich wie er.
„Und? Wie ging es aus?“
„Es wurde unappetitlich. Sie hat mir eröffnet, dass sie nur meine Qualität als Detektiv überprüfen wollte.“
Die Szene stand noch heute unauslöschlich vor seinem inneren Auge.
„Das tut mir leid.“
„Das muss es nicht. Erstens ist es lange her. Zweitens habe ich daraus eine wertvolle Lektion gelernt.“
Sie hob eine Braue. „Welche denn?“
„Denke mit dem Kopf und nicht mit dem Herzen.“
„Oh.“
Shara fehlten die Worte.
„Du scheinst überrascht zu sein“, meinte Royce und strich ihr eine Locke aus dem Gesicht.
„Das stimmt. Aber …“
„Aber?“
Sie verzog den Mund. „Ich weiß auch nicht recht. Irgendwie klingt das … kalt.“
„Fühlt sich das, was wir beide miteinander teilen, auch kalt an? Für mich ist es alles andere als kalt.“
Shara schüttelte den Kopf. „Nein, tut es nicht.“
„Findest du es nicht besser, erst einmal logisch zu überlegen, bevor man sich kopfüber in ein Abenteuer stürzt? Hunderte von Geschiedenen hätten sich so ihr Schicksal ersparen können.“
Shara zog die Stirn in Falten. Die anderen Geschiedenen waren nicht ihr Thema. Sie konnte nur für sich selbst sprechen.
Als ob er ihre Gedanken gelesen hätte, fragte Royce: „Wenn du nicht so verzweifelt vor deinem Vater geflüchtet wärst, hättest du dann Brady trotzdem geheiratet? Ich wette dagegen.“
Eigentlich hätte Shara gern mit ihm darüber gestritten, doch sie schaffte es nicht.
Im Nachhinein musste sie eingestehen, dass Steve schon immer Anzeichen eines gewalttätigen Kontrollfreaks gezeigt hatte. Doch ihr war bisher nie klar gewesen, wie sehr sie all die deutlichen Warnzeichen beiseite gefegt hatte.
Warum hatte sie das getan?
Ihr Vater war damals das Hauptproblem gewesen. Wie eine Ertrinkende hatte sie sich an Steve geklammert, als ob er ihr Lebensretter wäre. Wenn sie damals losgelassen hätte …
Zum wiederholten Mal musste sie zugeben, dass sie in kritischen Situationen stets dazu neigte, übereilt zu handeln und die falschen
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