Julia Extra Band 361
wir für den Moment Abstand halten. Ich schlafe in einem der Gästezimmer.“
Sienna versteckte sich hinter Sarkasmus. „Befürchtest du, du könntest dich an mich gewöhnen, jetzt, da du weißt, dass ich nicht das Flittchen bin, für das du mich gehalten hast?“
Für ihre kesse Art erntete sie einen kühlen Blick von ihm. „Ich will dieses Schloss haben, Sienna, und dafür werde ich alles tun, was nötig ist. Keiner von uns beiden braucht die Komplikationen, die man uns mit dieser Ehe aufgezwungen hat, vor allem, wenn die Motive für das Ganze völlig im Unklaren liegen. Seien wir doch ehrlich … gäbe es das Testament meines Vaters nicht, hätten wir beide einander nicht einmal als kurzfristige Partner gesehen, geschweige denn für den Rest des Lebens.“
„Allerdings. Du bist wirklich der letzte Mensch, an den ich gedacht hätte. Stell dir nur die ständigen Streitereien vor. Du bist so borniert, dass du einen Anfall kriegst, wenn die Küchenhandtücher nicht auf den Millimeter genau gestapelt sind.“
„Und du bist chaotischer als ein Wirbelsturm“, konterte er. „Es ist schwer zu glauben, dass du die Tochter einer Frau bist, die ihren Lebensunterhalt damit verdient hat, Ordnung zu halten.“
„Tja, sie hatte keine Probleme damit, anderer Leute Unordnung zu beseitigen. Ihr eigenes Leben aber hatte sie nicht so gut organisiert.“ Sienna ließ die Schultern sacken. „Als Kind fragte ich mich immer, wo wir im nächsten Monat leben würden. Mama konnte jeden Moment irgendetwas sagen oder tun, und schon musste ich meine Sachen zusammenpacken. Ich kann gar nicht mehr zählen, wie oft ich die Schule gewechselt habe. Die Zeit bei eurer Familie war die längste, die wir an einem Ort verbrachten. Damals habe ich mir gewünscht, dass es nie aufhören würde.“
Andreas nahm ihre Hand und spielte mit ihren Fingern. „Davon wusste ich nichts. Ich kann mir vorstellen, wie unsicher du dich gefühlt haben musst. Ich habe dich immer für eine freche Göre gehalten, aber jetzt kann ich nachvollziehen, warum du so warst.“
„Ich sollte mich nicht beschweren, es gibt andere, die hatten es schlechter als ich.“
Er zog ihre Hand an seinen Mund und setzte einen Kuss darauf. „Ich sollte dich zu Bett gehen lassen.“ Er drückte ihre Finger noch einmal, dann ließ er ihre Hand los. „Kann ich etwas für dich tun? Dir vielleicht ein Bad einlassen?“
Sienna musste sich zusammennehmen, um sich nicht anmerken zu lassen, was seine Berührung mit ihr anstellte. Das Mitgefühl und die Fürsorge in seinen Augen ließen sie sich plötzlich extrem feminin fühlen. Eine ungewohnte Erfahrung, gab sie sich doch grundsätzlich burschikos und tough. „Nein, nicht nötig.“ Sie lächelte schief. „Trotzdem danke für das Angebot.“
Die kurze körperliche Intimität hatte die Dynamik zwischen ihnen verändert, und Sienna wusste nicht, wie sie damit umgehen sollte oder wie sie es zurückdrehen konnte. Sinnliche Energie hing in der Luft, wirbelte um sie beide herum. Es wäre ein Leichtes, sich davon wie von einem Strudel in die Tiefe ziehen zu lassen.
„Was hier vorhin passiert ist …“ Andreas brach ab, runzelte die Stirn, als suche er nach den richtigen Worten. „Ich weiß nicht, wie ich es wiedergutmachen soll. Ich habe dich falsch beurteilt und dich beleidigt. Ich hoffe, du findest irgendwo in dir die Kraft, mir zu vergeben.“
„Wow, der nette Typ, den du da hervorkehrst, gefällt mir“, gab sie sich unberührt. „Vielleicht flacht sich mein Hass etwas ab, wenn du das sechs Monate durchhältst.“
Etwas Dunkles, Intensives flackerte in seinen Augen auf. „Du hasst mich nicht, ma petite . Ich würde sogar so weit gehen und behaupten, dass du mich nie gehasst hast.“
Herausfordernd hob sie ihr Kinn. „Du glaubst doch wohl nicht, dass ich noch immer diese alberne Teenagerschwärmerei für dich hege? Das ist lange her. Ich mag nicht die Erfahrung anderer Frauen meines Alters haben, aber ich kann dir versichern, dass ich mich nicht deinetwegen zurückgehalten habe.“
„Warum hast du nie Beziehungen gehabt? An Angeboten kann es nicht gemangelt haben. Bei deinem Aussehen müssen die Männer dir doch scharenweise zu Füßen gelegen haben.“
„Ich musste miterleben, wie meine Mutter von einer bedeutungslosen Beziehung in die nächste schlitterte, ich konnte sehen, was es mit ihr machte. Ich war diejenige, die dann die emotionellen Scherben wegkehren musste. Es war eine abschreckende Erfahrung. Außerdem
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