Julia Extra Band 362
Kannst du mich denn wirklich nicht mehr lieben? Aber sie wusste auch so, dass er es nicht konnte. Er war ein Mann, dem seine Ehre über alles ging, und diese Ehre hatte sie verletzt, indem sie ihn belogen hatte.
„Ich weiß“, gab sie zurück. „Und das freut mich sehr für ihn.“ Ihre Stimme zitterte. „Aber er wird dich brauchen, weißt du. Er ist noch ein Baby, trotzdem wird die … die Veränderung für ihn nicht einfach zu verkraften sein.“
Karim nickte. „Ich werde alles tun, was ich kann, um ihm die Eingewöhnungsphase zu erleichtern.“ Er zögerte. „Der Vorschlag, den ich gestern Abend gemacht habe, tut mir leid.“
Rachel hob das Kinn. „Soll das eine Entschuldigung sein?“
„Nein. Es ist … es ist …“ Er seufzte. Gott, sie machte es ihm wirklich nicht leicht. „Ja. Aber eine Kinderfrau braucht Ethan trotzdem. Natürlich könnte ich eine suchen, aber er liebt dich, und du liebst ihn.“ Als ihre Augen gefährlich aufblitzten, hob er besänftigend eine Hand. „Nein, ich schlage nicht vor … ich sage nur, dass ich bereit bin, dich als seine Kinderfrau zu akzeptieren, falls du das möchtest, mehr nicht.“
Verdammt, das lief nicht gut. Irgendwie hatte er es sich einfacher vorgestellt. „Du würdest im Palast dein eigenes Apartment bekommen, ein großzügiges Gehalt und …“
„Du meinst als deine Angestellte.“
„So kann man es wohl sehen, nehme ich an“, erwiderte er steif.
„Und wie … wie lange würde diese Abmachung gelten?“, fragte sie mit brüchiger Stimme.
„Bis Ethan fünf ist, vielleicht sechs. Bis er dich nicht mehr braucht.“
Bis er dich nicht mehr braucht …
Rachel hätte dem Scheich, den sie törichterweise immer noch liebte, am liebsten eine schallende Ohrfeige versetzt. „So ein Angebot kann nur von einem Mann kommen, der kein Herz hat“, sagte sie ruhig. „Und du tust mir wirklich leid, weil du so ein Mann bist, Karim.“
Nach diesen Worten rannte sie an ihm vorbei aus dem Zimmer, wobei sie schon fast damit rechnete, dass er sie aufhalten würde, aber er tat es nicht. Es dauerte eine Weile, bis sie auf einen Bediensteten stieß, von dem sie verlangte, dass er sie zu Ethan führen möge. Als der Mann sich weigerte, entspann sich ein heftiger Disput, bis Karim auftauchte und dem Mann befahl, zu tun, was sie sagte.
Wenig später stand Rachel mit ihrem Koffer in der Hand weinend an Ethans Bett und schwor dem schlafenden Jungen flüsternd, dass sie mit aller Kraft um ihn kämpfen würde. Bevor sie vor Kummer zusammenbrach, wandte sie sich ab und rannte durch den Palast, die zahllosen Treppen hinunter, zum Vordereingang hinaus in den Regen.
Dort wartete bereits ein Wagen auf sie. Der Fahrer brachte sie zum Palastflughafen, und ehe sie es sich versah, saß sie auch schon im Flugzeug.
„Bitte schnallen Sie sich an“, forderte sie die immer noch höfliche Flugbegleiterin auf. „Wir starten gleich.“
Rachel nickte. Sie wagte nicht zu sprechen, weil sie ihrer Stimme nicht traute. Die Motoren des Jets heulten auf.
„Wir fliegen direkt zum JFK Airport, New York, Ms Donnelly“, wurde sie von einer Stimme aus dem Lautsprecher informiert, wobei das Flugzeug bereits über die Startbahn zu rollen begann.
Fang jetzt bloß nicht an zu heulen, dachte Rachel, während sie blind aus dem Fenster hinaus in den Regen starrte. Du darfst jetzt nicht weinen … Ihrer Kehle entstieg ein Aufschluchzen. Sie lehnte ihre Stirn gegen die Scheibe und ließ ihren Tränen freien Lauf. Der Himmel weinte, und sie weinte auch.
Der Jet beschleunigte. Noch ein paar Meter bis zum Ende der Startbahn, dann würden die Motoren aufheulen, und er würde abheben, und dann würde alles vorbei sein.
Plötzlich wurden die Motoren gedrosselt. Das Flugzeug verlangsamte seine Geschwindigkeit. Ein Auto – ein kleiner roter Flitzer – raste über die regennasse Startbahn auf sie zu. Der Jet stoppte, die Motoren drehten im Leerlauf. Der Kopilot kam aus dem Cockpit in die Kabine.
„Was ist?“, fragte Rachel mit einer Stimme, die vor Aufregung viel höher war als normalerweise. Der Kopilot ging zur Tür. Und während er sich anschickte, die Klappe zu öffnen, sah Rachel, dass die Tür des roten Sportwagens aufflog.
Ein Mann sprang heraus … Karim.
Karim? Hier? Rachel war perplex. Was wollte er? Die Flugzeugtür schwang auf. Die Gangway wurde ausgerollt. Rachel tastete mit zitternden Fingern nach dem Sicherheitsgurt. Sie wollte nicht im Sitzen mit Karim reden, sondern ihm auf
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