Julia Extra Band 362
Augenhöhe begegnen. Und wenn sie sich mit ihm anlegen musste, um diesen schrecklichen Ort verlassen zu können …
Karim rannte die Treppe hinauf, völlig außer sich, wie unschwer zu erkennen war.
„Verdammt, Rachel“, legte er los, und noch ehe sie reagieren konnte, riss er sie an sich und küsste sie. Sie wand sich in seinen Armen, drehte den Kopf weg. Sie wollte seine Küsse nicht, wollte seine Arme nicht spüren, wollte diese betörende Nähe nicht und auch nicht seinen starken Körper so dicht an ihrem …
Und dann schluchzte sie seinen Namen, umrahmte sein Gesicht mit den Händen und ergab sich. „Ich hasse dich“, flüsterte sie. „Hast du mich gehört, Karim? Ich hasse dich, ich hasse dich, ich …“
„Verlass mich nicht. Ich bitte dich, habibti , lass mich nie, nie, niemals allein.“
„Ich kann aber nicht bleiben. So jedenfalls nicht. Ich will nicht deine Mätresse sein, aber so würde ich enden, weil ich dir nicht widerstehen kann. Ich kann es nicht …“
„Ich liebe dich.“
„Du begehrst mich, das ist ein Riesenunterschied.“
„Da hast du verdammt noch mal recht. Ja, ich begehre dich, aber genauso liebe ich dich. Und du liebst mich. Sag mir, dass du mich liebst.“
Rachel schüttelte den Kopf. Er hatte ihr das Herz gebrochen. Alles, was sie jetzt noch besaß, war ihr Stolz.
„Nein. Ich liebe dich nicht …“
Karim brachte sie mit einem weiteren Kuss zum Schweigen.
„Keine Lügen mehr“, verlangte er vehement. Er umfasste ihr Gesicht mit den Händen, hob es sich entgegen. „Ich war ein Idiot, Rachel. Natürlich hast du wegen Ethan gelogen, aber nur, weil ich dir keine andere Wahl gelassen habe. Ich war entschlossen, dir den Jungen wegzunehmen, und du hast ihn zu sehr geliebt, um das zuzulassen.“ Er machte eine Pause. „Rachel. Wir gehören zusammen. Wir alle drei. Du und ich und Ethan.“
„Hör auf“, flehte Rachel. „Sag nichts, was du nicht meinst.“
„Ich meine jedes Wort“, widersprach Karim. „Deine Schwester ist Ethans leibliche Mutter, aber du – du, habibti – warst von Anfang an seine richtige Mutter.“ Er lächelte und streifte mit seinen Lippen sanft Rachels Mund. „Und ich werde sein Vater sein. Ich liebe dich“, sagte er weich. „Und ich frage dich noch einmal, ob du mich heiraten willst.“
„Aber du hast Suki geglaubt …“
„Ich war wie von Sinnen. Ich habe dir mein Herz geschenkt …“ Seine Stimme brach, als er fortfuhr: „Das Herz, das ich angeblich nicht besitze.“
„Nicht, Karim. Bitte nicht. Das habe ich nur gesagt, um dich zu verletzen.“
„Ich habe nämlich ein Herz, habibti . Ich habe nur frühzeitig gelernt, es gut zu verstecken“ Karim räusperte sich. „Rami und ich … wir waren schon als Kinder verschieden, aber wir haben uns geliebt. Doch mit der Zeit entwickelten wir uns immer weiter auseinander, und ich … ich habe es zugelassen.“
„Man kann keinen Menschen gegen seinen Willen festhalten, auch nicht, wenn man ihn liebt“, sagte Rachel weich. „Meine Mutter. Meine Schwester …“
„Ja, ich weiß. Aber wir beide lieben uns auch.“ Karim lächelte. „Und wir lieben Ethan. Ich möchte, dass wir eine Familie werden, habibti .“
Rachel spürte, wie ihr das Herz aufging vor Glück. Sie erhob sich auf die Zehenspitzen und presste Karim einen Kuss auf den Mund. „Ich habe mich selbst dafür gehasst, dass ich dich belogen habe, Karim. Aber meine Angst, Ethan und dich zu verlieren …“
„Du verlierst überhaupt niemanden, habibti . Weder mich noch unseren Sohn.“
„ Unseren Sohn“, wiederholte Rachel lächelnd.
Karim küsste ihr die Tränen von den Wangen.
„Jetzt geht für mich eine lange Reise zu Ende“, sagte er leise. „Am Anfang dachte ich, ich könnte etwas über Rami in Erfahrung bringen. Inzwischen weiß ich, dass ich vor allem etwas über mich selbst gelernt habe, über mich und über das, was wichtig ist auf der Welt.“
„Und was ist das?“, fragte Rachel weich, obwohl sie die Antwort kannte.
„Liebe“, gab Karim zurück. „Das Einzige, was im Leben wirklich zählt, ist die Liebe.“ Er schaute ihr tief in die Augen. „Rachel. Willst du mich heiraten und für immer meine Liebe sein?“
„Ja, ja und abermals ja“, gab Rachel überglücklich zurück.
Karim schloss sie in die Arme und küsste sie, und während er dies tat, hörte es auf zu regnen, und die Kabine des Flugzeugs wurde erfüllt vom strahlend goldenen Licht der Sonne.
– ENDE –
Vertraut und doch so
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