Julia Extra Band 362
weltgewandter, kultivierter Plutokrat, der in einer neuseeländischen Kleinstadt mit einem einfachen Mechaniker befreundet war.
Es war rührend – gefährlich rührend – zu beobachten, wie dieser erfolgreiche Unternehmer noch immer seine Wurzeln im Norden eines kleinen Landes am Ende der Welt pflegte.
Später, in Rafes Wagen, herrschte eine an den Nerven zerrende Stille, die Marisa schließlich durchbrach. „Vielen Dank für Ihre Hilfe.“
Er warf ihr einen Seitenblick zu. „Was ist los?“, wollte er wissen.
„Nichts“, gab sie zurück und versuchte ein ungerührtes Lächeln. „Ich bin nur frustriert, dass mein Wagen mich im Stich gelassen hat.“
„Werden Sie ohne ihn zurechtkommen?“
„Kein Problem.“ Sie konnte nur hoffen, dass er ihre schroffe Antwort als Zeichen ihrer Unabhängigkeit wertete. „Ihr Freund Patrick hat angedeutet, dass mein Auto mit ziemlicher Sicherheit bis Dienstag fertig sein wird. Es sollte nicht so schwer sein, jemanden zu finden, der mich morgen und Montag zum Geschäft fährt.“
Was zusätzlich zu den Reparaturkosten eine weitere Ausgabe sein würde. Doch sie musste es einfach schaffen.
Rafe unterbrach sie in ihren Grübeleien. „Können Sie mit einer Handschaltung umgehen?“
Sie schreckte auf. „Ja“, sagte sie zögernd. Und fügte hinzu: „Warum?“
„Ich habe noch einen Zweitwagen. Den können Sie gern solange nutzen.“ Er sagte das leichthin, sodass es offensichtlich war, dass er in seinem Angebot nichts Besonderes sah.
Erschrocken schaute sie ihn an.
Sein Gesicht war das eines Machers, eines Siegertypen. Geboren, um zu herrschen …
Ein Mann, dem sie besser aus dem Weg gehen sollte. Doch jedes Mal, wenn sie ihn traf – oder an ihn dachte –, durchfuhr sie eine heiße Welle unerlaubter, gefährlicher Empfindungen. Abrupt richtete sie den Blick auf die dunkle Straße vor ihnen und sagte mit fester Stimme: „Sehr freundlich. Aber ich werde Ihr Angebot nicht annehmen können.“
„Sie sollten darüber nachdenken, bevor Sie ablehnen. Ich weiß, dass Ihr Geschäft morgen geöffnet hat. Neun Uhr?“
„Ja.“
„Ich werde bereits vorher in Tewaka sein. Ich kann Sie also problemlos abholen. Am Nachmittag könnten wir dann zu mir fahren, und Sie könnten den Wagen ausprobieren.“
„Sehr freundlich von Ihnen …“ Ihre Stimme verlor sich, während ihr Instinkt sie überlaut davor warnte, sich weiter als unbedingt nötig mit Rafe Peveril einzulassen.
Andererseits: Er besaß dominante Züge, sicher. Aber war es nicht lächerlich, zu glauben, dass er mit diesem Angebot die Oberhand über sie gewinnen wollte?
Lächerlich. Sie formte das Wort lautlos mit den Lippen, während sie nach einem glaubhaften Grund für ihre Ablehnung suchte.
„Ihr Aber hallt durch den ganzen Wagen.“ Die kühle Ironie, die in seiner Bemerkung lag, trieb ihr die Röte in die Wangen. „Unabhängigkeit ist eine wertvolle Eigenschaft. Aber gut gemeinte Hilfe abzulehnen geht doch ein wenig zu weit.“
Ihre Antwort klang spitz. „Ihr Angebot ehrt Sie. Aber es besteht keine Notwendigkeit, sich meinetwegen so viele Umstände zu machen.“
Seine breiten Schultern hoben sich zu einem lässigen Achselzucken. „Wenn Sie morgen früh pünktlich sind, wird mich der kleine Umweg nicht mehr als fünf Minuten meiner Zeit kosten.“
Marisa öffnete den Mund, um etwas zu erwidern. Doch er war schneller. „In abgelegenen Kleinstädten wie Tewaka entwickeln die Menschen einen starken Gemeinschaftssinn. Die Leute helfen sich gegenseitig aus. Das Auto, das ich Ihnen anbiete, gehörte meiner Großmutter. Es steht nur herum, ist aber voll funktionstüchtig.“
Sie straffte sich. „Ich akzeptiere es, wenn Sie mich abholen. Doch den Wagen benötige ich wirklich nicht. Sie wissen ja nicht einmal, ob ich eine passable Fahrerin bin.“
Sehr viel Ironie lag in seinem Blick – gepaart mit dem Willen, sie näher kennenzulernen.
Es sollte doch möglich sein, ihm zu widerstehen.
Sie widerstand auch. Nur – sie wollte gar nicht widerstehen.
Es drohte Gefahr. Rafe Peveril war eine in Macht, Eleganz und Güte verpackte Bedrohung.
„Wie gut fahren Sie denn?“, fragte er beiläufig.
Marisa atmete tief ein, um ihrer Stimme Festigkeit zu geben. „Ich denke, ich bin eine ziemlich gute Fahrerin, aber das glaubt doch jeder von sich selbst, oder? Es ist sehr freundlich, mir ein Fahrzeug anzubieten …“
„Kein Wenn und Aber mehr, bitte. Und um eines klarzustellen – als ausgesprochen
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