Julia Extra Band 362
war, zwang Marisa sich, aufzustehen und in den Nebenraum zu gehen. Zu ihrer großen Erleichterung fand sie nur Sandy vor, die sofort fragte: „Geht’s Keir gut?“
„Er ist gleich eingeschlafen. Er ist natürlich unruhig. Doch ich habe die Tür offen gelassen, und das Licht brennt noch. Für alle Fälle.“
„Kinder sind erstaunlich widerstandsfähig“, sagte Sandy. „Du hingegen stehst unter Schock. Möchtest du Kaffee oder Tee?“
„Kaffee, bitte.“ Es gelang ihr, ein kleines Lächeln hervorzuzaubern. „Ich danke dir so sehr, Sandy …“
„Unsinn“, unterbrach Sandy sie energisch. „Keine Angst, wir kriegen das alles wieder hin. Rafe wollte euch beide mit zu sich nach Hause nehmen. Doch ich konnte ihn überzeugen, dass Keir bei uns besser aufgehoben ist. Die Männer sind drüben am Haus, um bei den Löscharbeiten zu helfen, sollten aber bald zurück sein.“
Fünf Minuten später kam ein Wagen vorgefahren. Mit flatternden Nerven und noch immer im dürftigen Schlafgewand, sprang Marisa auf. Unter der Tür begegnete sie Rafes stählernem Blick. „Wie sieht’s aus?“, fragte sie. „Ist das Haus …?“
„Unbewohnbar“, war seine schonungslose Antwort.
Marisa schloss die Augen und zog schmerzlich die Luft ein. „Bin ich schuld an dem Brand? Ich habe lange überlegt. War das Bügeleisen an … oder …“
„Beruhigen sie sich. Sie sind nicht schuld“, sagte er in nüchtern klingendem Ton. „Es sieht so aus, als habe jemand eine brennende Zigarette aus dem Auto geworfen. Das Gras an der Bankette fing Feuer, und der Wind hat es zum Haus herübergeweht. Als erst einmal die Balustrade gebrannt hat, war alles zu spät.“
„Konnte etwas gerettet werden?“
Diesmal antwortete Joe mit sanfter Stimme. „Rafe hat die Feuerwehr rechtzeitig alarmiert. Dadurch konnte vieles von eurem Hab und Gut vor den Flammen gerettet werden. Wir haben bereits so viel wie möglich in die alte Garage gepackt.“
Marisa holte tief Luft. „Es tut mir so leid, Joe. Kann man das Haus wieder bewohnbar machen?“
„Das lohnt sich nicht“, sagte er unverblümt. „Es ist ein altes Haus. Als das Feuer erst einmal Fuß gefasst hatte, brannten die alten Holzwände wie Zunder. Es war ein Riesenglück, dass Rafe gerade vorbeikam, sodass er Sie und Keir herausholen konnte.“
Rafe lächelte schief. „Ich habe lediglich das Fenster hochgewuchtet und den Jungen und Marisa herausgezogen.“
Seltsam, dachte Marisa. Rafe war wieder einmal mit der Wucht eines Tornados in ihr Leben eingebrochen und hatte sie gerettet.
Rafe legte eine starke Hand auf ihre und drückte sie leicht. Es fühlte sich an wie der berühmte Fels in der Brandung. „Beruhigen Sie sich, Marisa. Sie und Ihr Sohn sind unversehrt, das ist die Hauptsache. Alles andere wird sich ergeben.“
Nichtssagende Worte. Und dennoch tröstlich. Wohl niemand auf der Welt würde ihm widersprechen, wenn er diesen ruhigen, entschlossenen Ton anschlug.
Erwartungsvoll hob sie den Kopf. „Ist das ein Versprechen?“, fragte sie ein wenig spöttisch.
Rafe lachte auf. „Nur, wenn Sie bereit sind, Hilfe anzunehmen.“
Mit hochgezogener Augenbraue beobachtete er ihre Reaktion. Sie stand unter Schock und war verzweifelt. Dennoch spürte er ihre Stärke. Und ihr Drang nach Unabhängigkeit saß tief. Er war ebenso ausgeprägt wie ihre mütterliche Sorge um Keir.
Deshalb wunderte er sich auch nicht über ihre Antwort. „Ich habe schon vor Jahren aufgehört, mich auf die Hilfe anderer zu verlassen.“
Rafe sah zu den beiden anderen interessierten Zuhörern. „Riecht es hier eigentlich nach Kaffee?“, versuchte er abzulenken.
„Ja, natürlich!“, rief Sandy und beeilte sich, in die Küche zu kommen.
Rafe verließ das Haus der Tanners eine halbe Stunde später, nicht ohne Marisa vorher eine Anweisung zu erteilen. „Bevor Sie zurück ins Haus gehen, müssen Sie die Erlaubnis der Feuerwehr einholen.“
„Ja, Sir!“ Sie war zu müde, um zu widersprechen. In Traceys geborgtem Pyjama sah sie nicht wesentlich älter aus als das junge Mädchen, dem die Sachen gehörten.
Sie lächelte ihn an und sagte mit großem Ernst: „Danke, Rafe. Sie haben recht. Ich habe Keir vor größerem Unheil bewahren können, aber … ich war sehr froh, dass Sie dabei waren.“
Rafe dachte noch einmal daran, wie entzückend sie in ihrem Nachtzeug ausgesehen hatte, das praktisch nichts verhüllte. Sein Herzschlag geriet fast außer Kontrolle.
Die Erinnerung daran ließ die Erregung sofort
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