Julia Extra Band 362
Kindersitz, und wo in aller Welt sollen meine Einkäufe hin?“
„In den Kofferraum. Er ist erstaunlich groß“, sagte er lakonisch. „Und bei genauerer Betrachtung ist auch noch Platz für den Kindersitz.“
„Könnte sein.“ Marisa betrachtete ihren Sohn, der voller Bewunderung um den Sportwagen herumstrich. „Ein toller Wagen. Aber nicht für uns gemacht.“
„Wie wollen Sie das wissen? Sie haben noch nicht einmal dringesessen“, insistierte Rafe. „Er ist in ausgezeichnetem Zustand. Meine Großmutter war eine vorsichtige Fahrerin – vor allem ab neunzig.“
„Stundenkilometer oder Jahre?“, schoss Marisa zurück. Vor Schreck über den eigenen Mut legte sich ein Hauch von Rosa auf ihre Wangen.
Rafe lachte. „Jahre.“ Er verbarg seine Ungeduld hinter einem angeregten Fachgespräch mit Keir, während er auf ihre Entscheidung wartete.
Endlich entschloss sie sich zu einem Urteil. „Ein schöner Wagen. Ich wünschte, ich hätte Ihre Großmutter darin erlebt. Aber für uns passt er wirklich nicht. Mit dem Glück, das ich derzeit habe, würde ich ihn wahrscheinlich in den nächsten Bach fahren. Trotzdem herzlichen Dank für Ihr freundliches Angebot.“
Rafe schwieg.
Marisa spürte eine bange Ahnung, als sie seinem Blick begegnete. Ihr Widerstand schmolz dahin, während er sie vielsagend anlächelte. Sein Lächeln traf sie wie ein Pfeil mitten ins Herz. Es ließ den Schutzpanzer, den sie um ihr Herz gebaut hatte, in sich zusammenfallen.
Dieses Lächeln klang in ihr nach. Selbst beim Waschen und Aufhängen der Kleidung war sie immer noch verwirrt.
Die Suite für die Kindermädchen, die Rafe ihr zugewiesen hatte, entpuppte sich als Apartment mit zwei Schlafzimmern, einem Badezimmer und einem Spielzimmer, mit Zugang zu einer großzügigen Terrasse und einem eigenen Garten. Nach näherer Inspektion stellte sich heraus, dass der Garten von einer Ziegelmauer umgeben und der einzige Zugang mit einem Schloss verriegelt war.
„Ich bin schon als Kind viel auf Entdeckungsreisen gegangen“, erklärte Rafe. „Die Mauer wurde hochgezogen, nachdem man mich mutterseelenallein unten am Strand aufgelesen hatte.“ Mit Blick auf Keir fügte er hinzu: „Ich muss damals etwa halb so alt gewesen sein wie er.“
Marisa atmete hörbar durch.
Er sah auf die Uhr. „Ich muss einige Anrufe erledigen. Wenn Sie etwas benötigen, steht Nadine zu Ihrer Verfügung. In einer Stunde sollte ich fertig sein. Machen Sie es sich so lange gemütlich. Um welche Uhrzeit bekommt Keir gewöhnlich sein Essen?“
„Um sechs.“
„Gut, Nadine kann ihm schon vor unserem Dinner eine Mahlzeit bringen. Wann geht er gewöhnlich zu Bett?“
„Um sieben.“ Ihr war klar, dass sie sehr kurz angebunden war. Doch auf einmal wurde sie von einer tiefen Erschöpfung überfallen. Es war keine körperliche Müdigkeit, mehr eine seelische Entkräftung, die ihre Energie aufsaugte.
Zu viel hatte sich in zu kurzer Zeit ereignet. Ihr Leben schien ihr aus den Händen zu gleiten, und sie besaß nicht die Kraft, das Geschehene rückgängig zu machen.
Rafe nickte. „Abendessen für uns Erwachsene um halb acht. Ich werde Sie abholen.“
Ein einfaches Mahl in der Suite wäre ihr lieber gewesen. Doch ehe sie einen Einwand äußern konnte, fuhr Rafe fort: „In seinem Schlafzimmer gibt es ein Babyfon. Wenn er also aufwacht oder schlecht träumt, bekommen wir es mit.“
Als er den Raum verlassen hatte, kam sie sich vor wie in einem Gefängnis. Doch dann rief sie sich zur Ordnung. Sie durfte jetzt nicht durchdrehen. Aber Rafes plötzliche Abwesenheit hinterließ eine Leere, die ihr einen Schrecken einjagte. Er ist … einfach überwältigend, dachte sie mit Blick zu ihrem Sohn, der sich die Kinderbücher im Regal anschaute.
Rafe Peveril beschäftigte sie unentwegt. Aber vorläufig, so entschied Marisa, wollte sie sich darüber noch keine Gedanken machen. Wenn er ihr im Moment fehlte, dann nur, weil er so etwas wie Sicherheit ausstrahlte. Und ganz sicher nicht, weil ihr Atem sich beschleunigte, wenn sie ihm begegnete oder weil ihr Blut zu kochen begann.
Sein Einfluss auf sie rührte bei Gott nicht von seiner Größe her oder seinen breiten Schultern oder seiner enormen körperlichen Kraft. Auch nicht von seinem guten Aussehen oder dem sanft geschwungenen Mund, der vermuten ließ, dass er ein leidenschaftlicher Liebhaber war.
Nein, diese Wirkung kam aus seinem Inneren. Sein Charakter, diese unbeirrte Selbstdisziplin, dazu ein brillanter Verstand und
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