Julia Extra Band 362
auszukommen.“
„Dass er ganz ohne Vater aufwächst, war bisher kein Problem?“
Ihre Augen blieben weiter auf den Sohn geheftet, als sie abweisend antwortete: „Bisher nicht. Doch ich bin mir sicher, dass es irgendwann zu einem Thema wird.“
„Und wie werden Sie dann damit umgehen?“
Rafe beobachtete, wie sich Marisa graziös erhob und sich umwandte, um das geliehene Hemd in die geliehene etwas zu enge Hose zu stecken. Zufällig erhaschte er einen sekundenlangen Blick auf die straffe, gebräunte Haut, ihre geschwungene Hüfte. Tief in ihm erwachte eine leidenschaftliche Sehnsucht, die sich nicht mehr abschütteln ließ.
Abweisend erwiderte sie: „Darüber denke ich nach, wenn es so weit ist.“
Das war alles, was sie dazu zu sagen hatte, es war ihr anzumerken. Und er wollte das Thema nicht weiter vertiefen.
Für den Moment.
Rafe war es gewohnt, abzuwarten, bis er ausreichend Informationen besaß. Die Fotografie, die er in der abgebrannten Garage gefunden hatte, war ihm Beweis genug. Diese Frau war Mary Brown!
Doch warum lebte sie unter falschem Namen und machte ein Geheimnis um sich?
Die Worte seines Verbindungsmannes in Mariposa fielen ihm wieder ein: Kurz nachdem Sie und Mrs Brown nach Neuseeland abgereist sind …
In der Klinik war ihm gesagt worden, dass sie es nach dem Absturz bis zu einer Hirtenhütte geschafft und die Nacht dort verbracht hätten. Am nächsten Morgen seien sie gerettet worden. Das Einzige, woran er sich erinnern konnte, war die Hütte. Als der Motor zu stottern begann, hatte er diese Hütte bereits aus dem Flugzeug entdeckt. Danach gab es nur noch weiße Flecken in seiner Erinnerung, bis er wenige Tage später im Krankenhausbett erwachte.
Wie hatten sie diese Nacht verbracht? Warum hatte er sich später nie danach erkundigt?
Inzwischen kannte er den Ursprung des Zynismus, den er gerne an den Tag legte: Seine Mutter hatte ihn buchstäblich an seinen Vater verkauft. Und zeit seines Erwachsenenlebens war er zum Ziel raffinierter Mitgiftjägerinnen geworden. War Marisa/Mary eine von dieser Sorte? Wollte sie ihn in eine Falle locken? Und wenn ja: welche und weshalb?
Es gab nur einen Grund. Nur einen einzigen: sein Geld.
„Ich denke, Keir ist nun lange genug in der Sonne gewesen“, sagte Marisa mit undurchsichtiger Miene und riss ihn damit aus seinen Grübeleien. „Außerdem muss ich unsere Sachen waschen. Wir können nicht auf Dauer in den Kinderklamotten der Tanners herumlaufen.“
Rafe stand auf. „Nadine kann sich um die Wäsche kümmern.“
„Nadine ist Ihre Haushälterin, nicht unsere. Bestimmt hat sie Wichtigeres zu tun, als sich um verrauchte, schmutzige Sachen zu kümmern. Nein, das mache ich selbst.“
„Na schön“, meinte er leichthin. „Keir kann dann so lange bei mir bleiben.“
Ihre erhobenen Augenbrauen zeigten ihm, dass er wieder einmal eine Grenze überschritten hatte.
„Das kommt gar nicht infrage“, sagte sie betont fröhlich. „Er kennt Sie doch kaum. Und ich bin sicher, Sie haben bedeutendere Dinge zu tun, als Ihre Zeit mit Babysitten zu verbringen.“
Er zuckte mit den Achseln. „Allerdings. Ich könnte Ihnen zum Beispiel das Auto meiner Großmutter vorführen.“
Kurzes Zögern. Dann gab sie sich mit einem Lächeln geschlagen. „Okay, Sie haben gewonnen. Aber zuerst die Kleider.“
Keirs fröhliches Schnattern begleitete sie den ganzen Weg zum Haus.
Wie erwartet zeigte Nadine Verständnis. „Natürlich wollen Sie Ihre Wäsche lieber selbst übernehmen. Aber geben Sie mir gern Bescheid, wenn Sie mich brauchen.“
„Ich hole das Gepäck“, sagte Rafe beiläufig. Er streckte Keir die Hand entgegen. „Willst du mich begleiten? Du könntest die Spielsachen reinbringen.“
Und ob Keir wollte! Marisa schloss sich an. „Ich komme auch mit. Es gibt eine Menge zu tragen.“
Vor einer der Garagen hielt Rafe an. „Am besten, Sie setzen sich gleich mal in den Wagen.“
Er öffnete das Garagentor und trat zurück, um Marisa einen Blick auf das Fahrzeug zu ermöglichen. Er war neugierig auf ihre Reaktion.
Nach Sekunden gespannter Aufmerksamkeit brach sie in helles Lachen aus. „ Das ist der Wagen Ihrer Großmutter?“
„Sicher.“
Sie warf ihm einen belustigten Blick zu. „Ich habe ein solides, gemächliches, großmütterliches Gefährt erwartet. Das …“, sie zeigte auf den schnittigen tiefergelegten Sportwagen in leuchtendem Grün, „passt ungefähr genauso gut zu mir wie ein Motorrad. Es gibt nicht genug Platz für Keirs
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