Julia Extra Band 362
Saft, ehe sie fortfuhr: „… eigentlich überall so. Ich habe gelesen, dass die Frauen der Gebirgsbauern in den Südalpen sich ähnlich verhalten.“
Gut pariert, dachte Rafe. Aber er wusste, dass sie eigentlich etwas anderes hatte sagen wollen.
Sie durchquerte den Raum und sah hinaus in den prächtigen Sommergarten. Um Kraft zu sammeln? Es war ein höllischer Tag gewesen, und sie hatte beinahe das verraten, was sie ihm nicht preisgeben wollte.
Schließlich drehte sie sich um und sagte in ruhigem Ton: „Es ist wunderschön bei Ihnen. Danke, dass Sie uns erlauben, für kurze Zeit hier zu bleiben. Wir müssen uns aber noch über die Kosten unterhalten.“
Alles hatte er erwartet, nur das nicht. Seine Erwiderung fiel ziemlich barsch aus. „Ich erwarte von meinen Gästen nicht, dass sie meine Gastfreundschaft mit Geld entlohnen.“
Lange schwarze Wimpern senkten sich über grüne Augen. „Ihre Gäste sind für gewöhnlich Ihre Freunde. Selbstverständlich werden sie nicht für ihren Aufenthalt bezahlen – doch sie können sich dafür revanchieren. Ich kann das nicht.“ Sie hob die Lider und sah ihn direkt an. „Rafe, ich brauche Ihre Mildtätigkeit nicht und ich will sie auch nicht.“
„Es handelt sich um Gastfreundschaft, nicht Mildtätigkeit. Wenn ich Ihnen keinen Platz angeboten hätte, hätte Sandy Tanner es getan.“
„Und auch dort hätte ich dafür bezahlt.“
Er vermutete, dass sie bereits erste Erkundigungen nach einer anderweitigen Unterkunft eingeholt hatte. „Sie haben nach einer Bleibe gesucht, aber alles ist ausgebucht, habe ich recht? Also vergessen Sie es. Und vergessen Sie auch, mich bezahlen zu wollen.“ Trocken fügte er hinzu: „Sie haben es vielleicht noch nicht bemerkt, aber ein paar Gäste machen mich nicht arm.“ Als sie erstaunt aufblickte, meinte er belustigt: „Vorausgesetzt, sie essen nicht zu viel.“
Ein betörendes Lächeln umspielte ihren Mund, und ein geheimnisvolles Funkeln glühte in der Tiefe ihrer Augen. „Ich bin keine große Esserin“, gab sie ausdruckslos zurück. „Aber bei Keir würde es Sie in Erstaunen versetzen, welche Mengen er verputzen kann.“
„Ich schätze, dass er eines Tages ein stattlicher Mann sein wird.“ Obgleich seine Tonlage klang, als würde er nur Small Talk halten, war sie sicher, dass er sie aushorchen wollte. „Ist sein Vater groß?“
Nach kurzem Zögern rang sie sich zu einem Nicken durch.
Rafe versuchte, sich an David Brown zu erinnern – ein großer Mann, kompakt gebaut – und hatte auf einmal ein Gefühl, das ihn entfernt an Eifersucht erinnerte.
Sein Instinkt sagte ihm, dass Marisa sich von ihm ebenso angezogen fühlte wie er sich von ihr. Das war wohl auch der Grund dafür gewesen, ihm ihre Bleibe bezahlen zu wollen.
Hürden für eine Beziehung aufstellen.
Das traf ihn. Manchmal hänselte ihn seine Schwester, er sei ein von Frauen absolut verwöhnter Typ. Das mochte sein. Doch die meisten hatten es nur auf sein Geld abgesehen.
Wüsste er endlich darüber Bescheid, warum Marisa dieses seltsame Spiel trieb, könnte er ihre Zurückhaltung besser verstehen.
Ungeduld zerrte an seinen Nerven. Wenn er mehr Fakten hätte, könnte er mit der Situation weit besser umgehen.
Marisa war von ihrem Mann mehr als zwei Jahre, nachdem sie von Mariposa weggegangen war, geschieden worden. Der Junge allerdings, hatte er herausgefunden, war etwa neun Monate nach ihrer Abreise zur Welt gekommen.
„Dann muss ich Sie mit meinem Dank überschütten, wenn wir uns nicht auf einen Betrag für die Unterkunft einigen können. Und was auch noch aussteht, sind die Kosten für das geliehene Auto Ihrer Großmutter.“
„Borgen kostet nichts“, betonte er.
Hitze rötete ihre Wangen. Sie hielt den Kopf hoch. „Ich kann nicht bleiben, wenn ich nicht bezahlen darf.“
Er legte die Stirn in Falten und zuckte mit den Achseln. „Na gut“, meinte er gleichmütig. „Dann ermitteln Sie doch bitte die Kosten für die Unterbringung einer Erwachsenen und eines fünfjährigen Kindes, plus die Mietkosten für ein dreißig Jahre altes Auto.“
Er amüsierte sich prächtig, das sah sie an dem Funkeln in seinem Blick. „Das werde ich“, sagte sie hölzern. „Und solange wir hier sind, werden wir Ihnen möglichst aus dem Weg gehen.“
„Das wird glücklicherweise nicht sehr schwierig werden“, brummte er und leerte sein Glas. „Das Haus ist groß genug für uns alle. Außerdem werde ich ja bald verreisen. Ich hoffe jedoch, Sie bis dahin
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