Julia Extra Band 362
mit denen er sich umgab, wunderschöne Geschöpfe sein mussten, die sich weltweit von einer Party zur anderen durchflirteten. Falls sie Kinder haben sollten, wurden diese sicher von Kindermädchen betreut.
Er lebte in einer vollkommen anderen Welt … Selbst wenn er sich zu ihr hingezogen fühlen sollte, wäre eine dauerhafte Beziehung gewiss nicht in seinem Sinne. Darauf würde sie wetten.
Falls er einmal ans Heiraten denken sollte, würde er eine Frau wählen, die in seine Welt passte. Nicht einen Niemand wie sie.
Heirat? Verdutzt strich sie das Wort schnell aus ihrem Vokabular.
Rafe streckte sich und begutachtete die Sandburg, die Keir mit seiner Hilfe gebaut hatte. Dann spähte er zu Marisa hinüber, die sich wohlig auf einem Felsen ausgestreckt hatte. Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt, als er Keir etwas zuflüsterte und dann mit betont langsamen Schritten auf sie zukam.
In dem T-Shirt und der Freizeithose, die augenscheinlich maßgeschneidert war, sah er wie ein männliches Model aus einem Hochglanzmagazin aus. Gleich sein erster Satz traf sie wie ein Schlag.
„Ich nehme an, dass Keirs Vater keine allzu gewichtige Rolle in seinem Leben spielt.“
Dachte er dabei vielleicht an seine Mutter, die in seinem Leben auch keine Rolle gespielt hatte?
„Gar keine“, sagte sie leise. Ihre Wortkargheit sollte ihm bedeuten, dass sie darüber nicht zu sprechen wünschte.
Er nickte. Seine Augen verengten sich. „Und in Ihrem?“
„Ebenso.“
Nach einem weiteren durchdringenden Blick sah er wieder zu Keir hin. „Ist er Ihr Wunschkind oder seines?“
Mit nichtssagender Miene antwortete sie: „Beider Wunschkind.“
„Und? Können Sie mit dem jetzigen Zustand glücklich sein?“
„Sehr.“ Ihr Ton und ihr Blick sollten ihm deutlich machen, dass er eine Grenze überschritten hatte.
Es war einfach nicht fair, dass dieser Mann alles besaß. Außer einer Mutter, erinnerte sie sich, und sie konnte nur hoffen, dass seine Stiefmutter ihn ebenso geliebt hatte wie einen leiblichen Sohn.
Bedächtig wandte sich Rafe ihr wieder zu und suchte ihren Blick. Marisas Herz raste. „Also ist Keir der einzige Mann in Ihrem Leben?“
Er war sehr direkt. Was wollte er von ihr?
Sei keine Idiotin. Du kennst den Grund …
Ihr Atem ging schneller, sie war sprachlos.
Nein, sie konnte es nicht. Dass er unwissentlich bereits Teil ihrer Lüge war, lastete noch immer schwer auf ihrer Seele.
Vielleicht war Rafe gelangweilt und nur auf eine Abwechslung in seinem Leben aus. Er war ein freier Mann, und sie besaß für ihn den Reiz des Neuen …
Wie auch immer, dieser Mann konnte ihr gefährlich werden. „Auf absehbare Zeit ist er das einzige männliche Wesen in meinem Leben.“ Sie versuchte, nicht darüber nachzudenken, warum ihre Stimme bei diesen Worten so seltsam heiser klang. „Er will ins Wasser. Ich gehe mit ihm hinein.“
„Kann er denn schwimmen?“
„Noch nicht.“
Rafe behielt ein wachsames Auge auf den Jungen mit dem gelben Plastikeimer in der Hand, den seine Haushälterin Nadine ihm mitgegeben hatte.
Auch auf Marisa ruhte sein Augenmerk. Strenge Miene, steife Bewegungen, gekünsteltes Verhalten. Ihren Sohn bewachte sie, als wäre sein Leben in Gefahr. Rafe bekam Schuldgefühle. Sie hatte grauenhafte vierundzwanzig Stunden erleiden müssen, und er hatte ihr für den Moment genug zugesetzt.
Abgesehen von dem Geheimnis um ihre Herkunft faszinierte ihn diese Frau. Gleich zu Beginn ihrer Bekanntschaft hatte er es gespürt: das Verlangen, ihr nah zu sein, die Verlockung, die von ihr ausging. Doch dieser rein sinnliche Wunsch war von ihrem stoischen Freiheitsdrang, ihrer inneren Stärke und der Liebe zu ihrem Jungen verändert worden.
Nach Manuwai war sie ihm lediglich gefolgt, weil sie keine andere Wahl gehabt hatte. Über ihre Gefühle zu ihm wusste er rein gar nichts – und darin, so wurde ihm klar, unterschied sie sich sehr von all den anderen Frauen, die ihn wissen ließen, dass sie an ihm sehr interessiert waren. Und an seinem Vermögen.
Begeistert hatte Keir seinen Eimer mit Sand gefüllt und begonnen, eine Burg zu bauen. „Er scheint ein kluger und umgänglicher Junge zu sein“, bemerkte Rafe. „Er hat schnell begriffen, dass es sich mit nassem Sand besser bauen lässt als mit trockenem.“
Marisa schien sich langsam zu entspannen, als sie antwortete. „Das hoffe ich doch. Natürlich hat auch er seine schwierigen Augenblicke. Aber im Großen und Ganzen ist leicht mit ihm
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