Julia Extra Band 362
„Buchstäblich überall. Meine Eltern waren Zigeuner – keine wirklichen, aber sie waren ständig unterwegs.“
„In einem Wohnwagen?“
„Nein, in einem Wohnmobil.“
„Interessante Kindheit“, bemerkte er und sah sie weiterhin forschend an.
Sie fühlte sich wie von einem Laser abgetastet, zuckte aber lässig mit den Achseln. „Ich muss gestehen, ich habe das ständige Umherreisen nicht so geschätzt, wie ich es vielleicht hätte tun sollen. Ich wollte wie die anderen Kinder sein und an einem Ort bleiben.“
„Warum?“
„Eine Art Herdeninstinkt, denke ich.“ Bevor er weitere Fragen stellen konnte, kam sie ihm zuvor. „Haben Sie sich denn jemals ein anderes Leben gewünscht als das, was Sie führen?“
„Hier gab es immer genug Arbeit, um mich beschäftigt zu halten, während ich zur Schule ging. Später war ich im Internat, und mir wurde klar, dass das Farmleben auf Manuwai nicht das Richtige für mich ist. Also ging ich auf die Universität, bevor ich auszog, um mein Glück zu suchen.“
Eine Entscheidung, die Probleme mit sich gebracht hatte, folgerte sie aus seinem Unterton.
„Aber Manuwai ist immer meine Heimat geblieben. Das Anwesen liegt mir am Herzen. Deshalb war Ihr Ausdruck vorhin genau richtig. ‚Bodenständig‘, genau so fühle ich mich hier. Wie haben Ihre Eltern ihren Lebensunterhalt bestritten?“
„Meine Mutter konnte fantastisch stricken und häkeln, und mein Vater hat wundervolles Holzspielzeug hergestellt. Damit konnten sie genug verdienen und für die Reisen Geld zur Seite legen. Reisen war ihr Ein und Alles.“
Vielleicht war deshalb der Lebenswille ihrer Mutter versiegt, als sie wegen einer Erkrankung an einem Ort bleiben mussten?
Marisa schob die Überlegung beiseite. „Ich fürchte, dass ich die Reiselust meiner Eltern nicht geerbt habe. Ebenso wenig wie ihre handwerklichen Fähigkeiten.“
„Sie können malen“, warf er ein. „Gina ist eine wahre Kennerin, und sie stuft Ihr Können sehr hoch ein.“
Seine Worte überraschten sie und erwärmten ihr Herz. „Ich habe ein bisschen Talent dazu, das ist alles. Es freut mich, dass sie mein Bild mag, doch sie soll keine große Wertsteigerung erwarten.“
Die Malerei war eine weitere Sache, die sie während ihrer Ehe hatte aufgeben müssen. David hatte sie als reine Zeitverschwendung betrachtet. Zuerst hatte sie noch gedacht, er könne nicht richtig einschätzen, wie viel Freude sie daran hatte. Doch schnell war ihr klar geworden, dass er schlicht eifersüchtig war, weil das Malen ihre ganze Aufmerksamkeit forderte.
„Ich denke, man sollte den Einfluss des Zigeunerlebens, wie Sie es bezeichnen, auf die Entwicklung Ihrer Talente nicht unterschätzen. Und ganz sicher hat Ihnen die Tatsache, dass Sie in einer handwerklich begabten Familie aufgewachsen sind, viel Wissen und Geschick vermittelt, dass Sie nun in Ihr Geschäft einbringen.“
Marisa warf ihm einen überraschten Blick zu. „Das ist gut möglich“, gab sie zu. „Sagen Sie, wie groß ist eigentlich Manuwai?“
Die Fläche, die er ihr nannte, erstaunte sie. „Das ist riesig.“
Er hob die Schultern. „Was uns gehört, wird niemals veräußert.“ Dann wechselte er das Thema und wollte wissen, ob sie mit Nadine schon einen Haushaltsplan ausgearbeitet hätte. Seine Miene verhärtete sich bei ihrem spöttischen „Jawohl, Sir!“
„Haben meine Worte wie ein Befehl geklungen?“
„Und wie“, sagte sie kühl.
Er lächelte verhalten. „Und Sie lassen sich nicht so gerne befehlen?“
„Überhaupt nicht.“ Sie konnte nur hoffen, dass ihre Stimme selbstsicherer klang, als sie sich fühlte. Ab und zu schimmerte noch immer die alte Mary Brown durch die Fassade, die sie um sich herum errichtet hatte. Aber sie wollte sich von niemandem mehr unterkriegen lassen.
„Warum sollten Sie auch?“, sagte er beiläufig. „Es war nicht meine Absicht, Ihnen Befehle zu erteilen.“
Marisa nickte. „Nadine und ich arbeiten gut zusammen.“
„Gut“, sagte er und warf einen Blick auf seine Uhr. „Und damit wir nicht ihren Unmut auf uns ziehen, begeben wir uns jetzt besser zu Tisch. Es ist ein lauer Abend, wir können auf der Terrasse essen.“
Draußen an der frischen Luft sagte er: „Ich gehe davon aus, dass Keir bereits im Bett ist?“
„Er schläft schon tief und fest. In der Schule hat heute ein Schwimmwettbewerb stattgefunden.“
„Und? Wie war er?“
„Er ist Dritter geworden und war sehr stolz.“ Sie musste beim Gedanken an seine
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