Julia Extra Band 362
würde ich wahrscheinlich selbst zuerst einschlafen.“
„Das ist meinem Vater immer passiert“, erzählte Riley vergnügt. „Nach einem harten Arbeitstag kam er erschöpft nach Hause und wurde von meiner Mutter zum Vorlesen verdonnert, weil sie auch völlig erledigt war, nachdem sie den ganzen Tag auf ihre drei Schlingel aufgepasst hatte. Dann saß er an meinem Bett und las mir Geschichten vor, weil ich noch so klein war. Meine beiden älteren Brüder hatte er schon in ihre Zimmer geschickt.“
„Was für Geschichten waren es?“ Zärtlich schmiegte Stace sich an ihn. Das „Festmahl“ war längst vergessen.
„Am liebsten Abenteuergeschichten. Robinson Crusoe oder Der schweizerische Robinson. Hauptsache spannend und gefährlich. Typisch Junge eben.“
„Wie Jeremy, als er klein war. Meine Schwester und er wohnten damals bei mir, und ich musste ihm sämtliche Hardy-Boys – Krimis vorlesen. Damit war ich ein Jahr lang beschäftigt.“
„Bist du auch eingeschlafen, als es am spannendsten war?“
„Nein, ich glaube nicht.“
„Mein Vater hat das mehrmals gebracht“, erzählte Riley amüsiert. „Immer an der spannendsten Stelle. Das hat mich wahnsinnig gemacht, weil ich bis zum nächsten Abend warten musste, um zu erfahren, ob die Sache gut ausging oder nicht.“
„Vielleicht hat er nur so getan, als ob, damit du ihn am nächsten Tag sehnsüchtig erwartest“, vermutete Stace.
„Nein, das glaube ich nicht. Meine Brüder und ich haben uns immer begeistert auf ihn gestürzt, kaum dass er das Haus betreten hatte. Wie Äffchen hingen wir an ihm, wenn er in die Küche gegangen ist.“
„Das hätte ich zu gern gesehen“, sagte Stace vergnügt.
„Mich hat er immer besonders gut festgehalten, weil ich der Jüngste war. Finn und Brady waren natürlich eifersüchtig, aber Dad hat ihnen erklärt, wenn er mich nicht beschützen würde, würden sie mich in ihrem Ungestüm vielleicht umrennen.“ Die Bilder seiner Kindheit tauchten vor seinem geistigen Auge auf. In diesem Moment vermisste Riley seine Eltern mehr denn je.
Mitfühlend streichelte Stace ihm den Rücken. Sie wusste genau, wie Riley sich fühlte. „Armer Riley.“
Er räusperte sich und fing an, das Essen zurück in die Tüte zu befördern. „Es wird kühl. Wir sollten jetzt aufbrechen.“
Kühl? „Okay.“ Sie half ihm. Dann kehrten sie schweigend zum Auto zurück.
Riley hatte Angst vor seiner eigenen Courage bekommen. Wenn er zu viel von sich preisgab, würde Stace womöglich denken, er wäre auf eine Beziehung aus. Und was sollte er tun, wenn sie ihm irgendwann den Laufpass gab? Nein, es war sicherer, ungebunden zu bleiben. Obwohl es ihn schon reizte, mit ihr zusammen zu sein. Auf der Heimfahrt malte er sich aus, wie sie ihn jeden Abend mit einem langen Kuss begrüßen würde. Das hatte schon was.
Viel zu schnell trafen sie auf dem Anwesen der McKennas ein. Das Date war vorbei, wie Riley enttäuscht feststellte. „Da wären wir wieder.“
„Ja.“
„Kommst du noch mit zu meiner Großmutter, um Jeremy abzuholen?“
„Gern. Dann kann ich mich gleich bei ihr bedanken.“
Riley stieg aus, ging um den Wagen herum und öffnete Stace höflich den Wagenschlag. Als sie ihn beim Aussteigen streifte, zog Riley sie an sich. Er wollte sie noch etwas länger ganz für sich haben. Nur heute Abend.
Willig schmiegte Stace sich an ihn, seufzte sehnsüchtig und sah ihn an. Für Riley gab es kein Halten mehr. Wenn er sie in seinen Armen hielt, vergaß er alles um sich her. „Ich hatte einen wunderschönen Abend.“
„Ich auch.“
„Ja?“ Er neigte den Kopf, um sie zu küssen. Wie zauberhaft sie war. Wie verführerisch sie duftete. „Oh Stace! Du bringst mich völlig aus dem Konzept.“
„Das war nicht meine Absicht“, versicherte sie ihm mit diesem unwiderstehlichen Lächeln, das er niemals vergessen würde.
Behutsam strich er ihr mit dem Daumen über die erwartungsvoll bebenden Lippen. „Wenn du in meiner Nähe bist, kann ich mich nicht mehr konzentrieren.“
„Mir geht es ebenso“, gestand sie leise. „Es ist ein Wunder, dass ich mich noch nicht von oben bis unten mit Kaffee begossen oder ein voll beladenes Tablett fallen gelassen habe.“
„Die Gefahr besteht im Moment nicht. Kaffee und Tabletts befinden sich in sicherer Entfernung.“
„Ich weiß.“ Erwartungsvoll schaute sie ihn an.
Und Riley konnte nicht länger warten. Er zog sie noch enger an sich. Die Welt schien stillzustehen, als ihre Lippen sich endlich
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