Julia Extra Band 362
täglichen Dinge des Lebens kaum Platz gab, so war noch weniger Platz für Fluffy vorhanden. Ein Nachbar hatte sie bereits darauf hingewiesen, dass in dem Gebäude keine Haustiere erlaubt waren und gedroht, ihren Vermieter zu benachrichtigen. Im Moment war das jedoch Zaras geringste Sorge. Als sie Bettwäsche, Lebensmittel und Küchenutensilien gekauft hatte, wies ihr Konto bereits ein beunruhigendes Defizit auf. Angesichts der Tatsache, dass sie nur noch über das kleine Gehalt verfügte, das sie aus der Firma ihrer verstorbenen Tante bezog, musste sie lernen, sich einzuschränken, wenn sie sich nicht verschulden wollte.
In ihrer ersten Nacht in der neuen Wohnung ging sie früh zu Bett. Sobald sie die Augen schloss, kehrten die Ängste, die sie tagsüber bestmöglich verdrängte, zu ihr zurück: das heftige Verlustgefühl, die Überzeugung, dass sie die dümmste Frau auf Erden sein musste, die tiefe, schmerzhafte Verletzung. Doch schließlich packte sie ihren Selbsthass weg und sagte sich, dass morgen ein neuer Tag war.
In derselben Woche kam Vitale seine viel gerühmte Konzentration immer wieder abhanden. Während zahlreicher Meetings drifteten seine Gedanken ab. Bilder einer zierlichen Blondine verfolgten ihn bis in den Schlaf und störten seinen Fokus auf die Arbeit. Nachts träumte er von Zara Blake in allerlei erotischen Situationen, in denen sie unglaublich erregende Dinge mit seinem unersättlichen Körper anstellte. Seine Fantasie ging völlig mit ihm durch.
Jeden Tag ließ Vitale sich die wichtigsten englischen Zeitungen ins Büro liefern und blätterte sie in seiner Kaffeepause durch, ohne sich wirklich einzugestehen, wonach er eigentlich suchte. Während der zweiten Woche landete er jedoch einen Treffer, als er das Foto von Zara mit einem anderen Mann entdeckte. Stirnrunzelnd fragte er sich, wer der gutaussehende blonde Kerl an ihrer Seite war. Sie wirkte noch kleiner als zuvor. Der Koffer, den sie trug, schien sie fast zu überragen. Er las auch, was zwischen den Zeilen der Klatschkolumne geschrieben stand. Ihre Familie war so wütend, dass sie sie aus dem Haus geworfen hatte! Doch kam das wirklich so unerwartet? Immerhin war der Verlust von Sergios Demonides als Schwiegersohn ein herber Schlag für Monty Blake, der nicht der Typ Mann war, der so etwas mit Anstand wegsteckte. Offensichtlich hatte er seinen Zorn an seiner Tochter ausgelassen.
Vitale fühlte sich für die Situation beunruhigend verantwortlich, und deshalb griff er nach dem Telefon und organisierte einen Flug nach London mit seinem Privatjet noch am selben Abend. Er wollte sich nur davon überzeugen, dass es Zara gut ging, das war alles – nichts Persönliches. Falls sie allerdings schwanger sein sollte, würden die Dinge schon bald um einiges persönlicher werden, dachte er düster. Er war sicherlich der Letzte, der eine solche Situation auf die leichte Schulter nahm.
Es brauchte noch ein paar Anrufe, bis er herausgefunden hatte, wo Zara wohnte. Die Gerüchte, die er dabei hörte, legten den Schluss nahe, dass Monty Blakes Tochter eine ziemlich schwere Zeit durchmachte.
Aber warum sollte ihn das kümmern? Vitale konnte seine Reaktion einfach nicht verstehen. Wieso fühlte er sich für das verantwortlich, was mit ihr geschah? Er selbst war immerhin Single und niemandem Rechenschaft schuldig, aber Zara hatte das Vertrauen eines Mannes missbraucht, den sie zu heiraten versprochen hatte. Sie war eine treulose Lügnerin ohne Gewissen, die verwöhnte Tochter eines Mannes, den er hasste. Und dennoch konnte er die Erinnerung nicht abschütteln, dass er Zaras erster und einziger Liebhaber gewesen war. Die Tatsache, dass er sich in dieser Hinsicht in ihr getäuscht hatte, führte ihn zu der Frage, ob er vielleicht noch in anderen Dingen falsch gelegen hatte. Für einen Mann, der so selbstsicher war wie er, war dies ein radikal neuer Blickwinkel.
Am nächsten Tag fuhr Vitale um neun Uhr morgens vor Zaras Apartment vor. Als er aus dem Fahrstuhl trat, geriet er mitten in eine hitzige Diskussion. Ein bulliger älterer Mann stand vor Zaras Tür und verkündete aggressiv: „Darüber lasse ich nicht mit mir reden – entweder verschwindet das Kaninchen oder Sie ziehen aus!“
Zara schaute ihn entsetzt an. „Aber das ist …“
„Keine Haustiere, egal welcher Art. Sie haben den Mietvertrag mit all seinen Bestimmungen unterzeichnet“, erklärte er laut. „Ich will, dass das Tier noch heute verschwindet, andernfalls werde ich Ihnen
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