Julia Extra Band 362
Außerdem kreisten seine Gedanken immer noch um ein für ihn wesentlich essenzielleres Thema. „Ich kaufe dir einen Schwangerschaftstest und bringe ihn dann hierher …“
„Oh, bitte, bemüh dich nicht!“, fauchte Zara und schaute ihn dabei so hasserfüllt an, dass er regelrecht zusammenzuckte. Er hätte nie vermutet, dass in diesen lavendelblauen Augen so viel Abneigung liegen könnte.
„Das muss ich aber“, seufzte er. „Ich trage für diese Situation genauso viel Verantwortung wie du und kann mich nicht entspannen, ehe ich weiß, wo wir stehen.“
„Oh, wenn du nur wissen willst, wo wir stehen – da kann ich dir helfen!“, schoss sie zurück. „Ich hasse dich. Falls ich feststelle, dass ich schwanger bin, werde ich dich noch mehr hassen. Was ich dann wohl mache? Ich werde dich vor jedes erdenkliche Gericht zerren und auf Unterhaltszahlungen verklagen, und ich kann nur hoffen, dass es dir verdammt peinlich sein wird!“
Er warf ihr einen ungeduldigen Blick zu. „Falls du schwanger bist, musst du mich nicht vors Gericht zerren. Ich würde klaglos jede Form von Unterhalt zahlen.“
Seine Beteuerung beeindruckte sie nicht. Im Gegenteil. Der Gedanke, von ihm abhängig zu sein, behagte ihr ganz und gar nicht. Zara straffte die Schultern und funkelte ihn zornig an. „Dann werde ich mich weigern , deine Unterhaltszahlungen anzunehmen!“, zischte sie.
Vitale war nicht gerade begriffsstutzig. Er kapierte durchaus, dass sie ihm in ihrer gegenwärtigen Stimmung am liebsten an die Gurgel gegangen wäre. Dummerweise gab es nichts, was ihn mehr reizte als eine Herausforderung. Ein teuflisches Lächeln spielte um seine sinnlichen Lippen. Sie hatte ja keine Ahnung, mit wem sie es zu tun hatte. „Ich bin gleich wieder zurück“, warnte er sie, ehe er auf dem Absatz kehrtmachte.
„Hey, du bist nicht der große Boss!“, rief sie ihm hinterher, ehe sich der Lift hinter ihm schloss.
Ihre Periode war bereits vier Tage überfällig – ein Umstand, den sie weitgehend verdrängt hatte, weil sie ohnehin schon mehr als genug Sorgen hatte. Normalerweise war ihr Zyklus allerdings ganz regelmäßig, weshalb sie schon ein wenig beunruhigt war. Sie streichelte Fluffy und gestand sich ein, dass sie im Moment keinen Schwangerschaftstest machen wollte, weil sie sich lieber auf schönere Dinge konzentrieren wollte. Mein Gott, dachte sie urplötzlich, in meiner Situation zur alleinerziehenden Mutter zu werden, wäre eine absolute Katastrophe!
Vitale kehrte innerhalb von einer knappen Stunde zurück und reichte ihr eine Plastiktüte. Zara holte daraus nicht nur einen, sondern vier verschiedene Schwangerschaftstests hervor.
„Ich wusste nicht, welchen du bevorzugen würdest“, erklärte Vitale völlig ungezwungen. Zara öffnete die größte Schachtel und zog die Gebrauchsanweisung heraus. Der Druck war so klein, dass sie ihn nicht lesen konnte. Das dazugehörige Diagramm verschwamm vor ihren Augen. Ihre Hände zitterten, denn wieder einmal wurde sie von grenzenloser Scham überflutet. „Geh nach Hause“, sagte sie leise.
„Warum? Ich kann doch genauso gut warten.“ Vitale war sichtlich ungeduldig, das Ergebnis zu erfahren. Er griff nach einer anderen Schachtel. „Nimm den hier. Soweit ich sehe, liefert er ein sofortiges Ergebnis.“
Zara war dankbar für die Information, nahm die Schachtel entgegen und breitete den Beipackzettel auf dem Tisch aus. So gelassen sie konnte, blickte sie auf die winzige Schrift. Dummerweise schien ihre Legasthenie in diesem Moment jedoch noch schlimmer als sonst zu sein. Sie musste ruhig und fokussiert bleiben, aber es gelang ihr nicht.
„Was ist los?“, fragte er.
Sie atmete tief ein. „Die Schrift ist so klein, dass ich sie nicht lesen kann“, klagte sie.
Er nahm an, dass sie kurzsichtig war, aber zu eitel, eine Brille zu tragen, weshalb er nur mit Mühe ein Stöhnen unterdrückte. Vitale griff nach dem Zettel, um ihr die relevanten Hinweise vorzulesen. Zara wäre es viel lieber gewesen, es selbst zu lesen. Ihre Wangen brannten vor Scham. Sie senkte den Blick und sagte nichts. Als sie sich kurz darauf mit dem Test im Badezimmer einschloss, dachte sie, dass alles besser wäre, als ihm gegenüber ihre Behinderung eingestehen zu müssen.
Erst in der sechsten Klasse hatte eine besorgte Lehrerin ihre Mutter Ingrid gebeten, dass ein Psychologe einen Test mit Zara machte. Dabei wurde bei Zara eine schwere Legasthenie festgestellt. Eine spezielle Lerntherapie wurde empfohlen, die ihr
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