Julia Extra Band 363
besucht sie jeden Tag. Ich fahre am Wochenende hin, sofern ich nicht arbeiten muss.“
In ihren Augen konnte er lesen, wie sehr es sie schmerzte, dass ihr Vater in einem solch tristen Leben gefangen war. „Und Grace? Versteht sie, warum ihre Großmutter nicht mehr zu Hause lebt?“
„Sie versteht, dass Omas Hände oft zittern. Dass sie Dinge fallen lässt und ihre Arme manchmal nicht unter Kontrolle hat. Und dass Oma oft traurig ist. Ich habe ihr erklärt, dass die Krankheit mit der Zeit immer schlimmer wird und dass viele Ärzte daran arbeiten, eine Medizin dagegen zu finden.“
In diesem Moment öffnete sich die Terrassentür und Grace stand auf der Schwelle. Emma breitete die Arme aus, und die Kleine kletterte auf ihren Schoß. „Ich habe gehört, worüber ihr geredet habt.“
Gianni erstarrte, aber Emma blieb gelassen. „Das ist schon in Ordnung, Grace. Gianni hat mich gefragt, warum Oma im Hospiz wohnt.“
Das Mädchen nickte und drehte sich zu Gianni um. „Das ist nämlich so“, erklärte sie mit gewichtiger Mine. „Wenn jemand meine Barbies stiehlt, dann sind sie alle auf einmal weg und das Haus ist ganz leer. Aber die Krankheit stiehlt jeden Tag nur ein kleines Stück von Omas Gehirn, bis ihr Kopf eines Tages auch leer ist.“ Sie reckte ihr kleines Kinn in die Höhe. „Aber ich mag mein Barbiehaus auch dann noch, weil ich mich an alle meine Puppen erinnern kann.“ Mit diesen Worten kuschelte sie sich noch tiefer in die Arme ihrer Mutter.
Gianni schluckte, überwältigt von Bewunderung und Mitgefühl für diese beiden tapferen Frauen. „Das verstehe ich. Ich danke dir für deine Erklärung, Grace.“
In der Küche klingelte die Zeitschaltuhr, und Grace sprang auf. „Essen ist fertig. Ich räume mein Puppenhaus auf.“ Schon schlug die Tür hinter ihr zu.
Eine Frage musste Gianni noch loswerden. „Weiß Grace, dass du ebenfalls erkranken könntest, und sie selbst auch?“
Emma nahm ihr Weinglas und stand auf. „Sie hat mich einmal danach gefragt, und ich habe ihr geantwortet, dass die Wahrscheinlichkeit dafür ebenso hoch ist, wie die, ob ein Baby ein Junge oder ein Mädchen wird. Weiter haben wir noch nicht darüber gesprochen.“
„Wenn du dich testen lässt, bist du diese Sorgen vielleicht los.“
„Oder ich erfahre, dass meine Sorge begründet ist.“
Gianni hätte die Wahrheit am liebsten sofort erfahren. Nicht nur um Emmas und Graces Willen, sondern auch für sich selbst und ihr ungeborenes Kind. Er wollte nicht bis zum St. Nimmerleinstag warten, bis Emma bereit war, den Test durchzuführen. Aber er blieb ruhig und versuchte sich in ihre Lage zu versetzen.
Offensichtlich war das Thema für sie für heute Abend beendet. Das musste er akzeptieren. Immerhin war sie ihm gegenüber offen gewesen, und er wusste ihre Ehrlichkeit zu schätzen. Wenn er an ihrem und dem Leben ihres Kindes teilhaben wollte, musste er behutsam vorgehen.
Gianni stand ebenfalls auf und öffnete die Terrassentür. Aus der Küche schlug ihnen ein köstlicher Duft entgegen.
„Grace hat mir verraten, dass sie gerne Spaghetti Bolognese isst“, wechselte er zu einem unverfänglicheren Thema.
„Das gilt für uns beide.“ Emma schenkte ihm ein versöhnliches Lächeln, und er deutete dies als gutes Zeichen.
Zwei Stunden später waren die Spaghetti aufgegessen, und für Grace war es Zeit, ins Bett zu gehen. Gianni verabschiedete sich ebenfalls, und die beiden begleiteten ihn zur Tür. Emmas Wangen waren vom Lachen leicht gerötet. „Vielen Dank, Gianni. Es war ein wunderbarer Geburtstag.“
Er winkte ab. „Ich hatte noch nicht einmal ein Geschenk für dich.“
„Grace hat den Abend sehr genossen. Und ich ebenfalls. Das war das schönste Geschenk, das du uns machen konntest.“
Ihre Worte klangen aufrichtig, und ein warmes Gefühl breitete sich in ihm aus. „Das freut mich. Übrigens habe ich nächstes Wochenende in Brisbane zu tun. Ich hatte gehofft, dass ich bei dieser Gelegenheit deine Eltern kennenlernen darf.
Ihr Lächeln erstarb. „Warum das?“, fragte sie misstrauisch.
Da war wieder diese Ängstlichkeit in ihren Augen. „Weil Louisa mir erzählt hat, dass du die Augen deiner Mutter und die innere Stärke deines Vaters geerbt hast. Und weil ich vermute, dass das Schicksal deiner Eltern der Grund dafür ist, warum du mich nicht an dich heranlassen willst.“
Emma runzelte nachdenklich die Stirn. Dann warf sie fast kämpferisch ihr Haar zurück.
„Aber wenn ich nicht will, dass du
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