Julia Extra Band 364 (German Edition)
Zerbrechlichkeit, die über ihre angeborene Stärke und Ausdauer hinwegtäuscht, besonders bei den Stuten … diese Mischung finde ich sehr reizvoll.“
Sie begegnete seinem Blick. Leichte Röte färbte ihre Wangen. „Sehr richtig“, meinte sie. „Das ist eines der charakteristischen Merkmale, auf die die Barons beim Stammbaum Wert legen.“
„Du bist keine Baron.“
„Wir sprechen ja auch über Pferde.“
„Woher kennst du die Familie?“
„Hat dir derjenige, den du für die Suche nach mir bezahlt hast, nicht das komplette Dossier gegeben?“
„So feindselig, querida .“
„So neugierig, Rio.“
„Ich finde es schlicht ein wenig seltsam, dass ein Model aus New York jetzt das Weideland auf Espada abreitet.“
Esmé seufzte. „Ich bin hier aufgewachsen.“ Sie warf ihm einen herausfordernden Blick zu. „Meine Mutter ist die Haushälterin der Barons.“
Seine elegante Geliebte, die Tochter einer Haushälterin.
Rio musste lächeln, weil es ihm viel zu unpassend schien.
„Freut mich, dass du es amüsant findest“, meinte sie kühl.
„Du irrst. Ich finde es interessant.“
„Sich unters gemeine Volk zu mischen ist immer interessant.“
Fragend sah er sie an, die dunklen Brauen hochgezogen. „Ich wüsste nicht, wann ich dir zu einer solchen Vermutung Anlass gegeben hätte.“
Röte stieg in ihre Wangen. Nein, das hatte er nicht. Und sie wusste nicht, warum sie es überhaupt gesagt hatte. Aber er brachte sie ja auch völlig durcheinander.
In diesem Augenblick wieherte ihre Stute und warf den Kopf zur Seite. Rio beugte sich vor und strich ihr über den Hals. Sie reagierte so, wie jedes weibliche Wesen es bei einer sanften und dennoch besitzergreifenden Berührung tun würde.
Ihre Blicke trafen sich und das, was Esmé in seinen Augen entdeckte, brachte all ihre Sinne in Aufruhr, so wie damals, als sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte. Schnell wandte sie den Kopf ab, stieg vom Pferd und schlang die Zügel um einen niedrig hängenden Ast.
„Die Herde umfasst hundert Tiere“, sagte sie betont forsch und hörte, wie Leder hinter ihr knarrte. „Ich kann dir ein paar von denen zeigen, die Jonas bereit wäre zu …“
„Esmé“, sagte Rio mit heiserer Stimme. Ohne an die Konsequenzen zu denken, drehte sie sich um und lag unversehens in seinen Armen.
Was war nur mit Esmé los? Hatte sie nicht genau das befürchtet? Dass Rio sie küssen würde …
Und sie diesen Kuss erwiderte.
Sie wollte es nicht, aber wie könnte sie ihm widerstehen? Es war von Anfang an so gewesen. Wenn er sie mit seinen kühlen, weichen Lippen berührte, stieg Wärme in ihr auf, die zu einem wahren Feuer wurde, je mehr er den Kuss vertiefte. Sein Duft, eine schwere, reine Süße, die zugleich an kalte Wintertage und heiße Sommernächte erinnerte, vermischte sich mit ihrem.
Sie hörte sich selbst leise stöhnen, hörte, wie Rio mit einem tiefen kehligen Laut reagierte. Er schlang die Arme um sie und zog sie näher an sich. Sein Herz schlug an ihrem, während die Erregung ihn hart werden ließ und sie als Antwort darauf zunehmende Hitze zwischen ihren Beinen spürte.
„Querida“ , flüsterte er, und sie drängte sich ihm entgegen, schlang die Arme um seinen Nacken und gab sich dem Kuss hin, von dem sie jede Nacht träumte, seit sie ihn verlassen hatte. Ja, sie träumte von ihm. Ja, sie wollte ihn immer noch. Ja, sie liebte …
Esmé versteifte sich, verscheuchte diesen letzten ungehörigen Gedanken und versuchte, sich von Rios Mund zu lösen, aber er ließ es nicht zu.
„Nein“, sagte er mit belegter Stimme und küsste sie erneut, während er ihr Gesicht umfasste und sie mit sanfter Gewalt festhielt. Willenlos gab sie sich ihm ein letztes Mal hin, ehe sie erneut von ihm abrückte. Als er versuchte, sie aufzuhalten, presste sie ihre Hände gegen seine Brust und drehte das Gesicht weg, sodass er schließlich von ihr abließ.
Sie zitterte. Wie konnte er immer noch eine solch starke Wirkung auf sie haben? Schließlich hatte sie ihn doch verlassen, ihn aus ihrem Leben ausgelöscht. Er war nicht gut für sie und verkörperte all das, wovor ihre Mutter sie gewarnt hatte, wie es vermutlich alle Mütter bei ihren Töchtern tun würden. Und doch …
„Warum hast du mich verlassen?“ Er streckte die Hände aus und umklammerte ihre Schultern, die Augen wie dunkles Feuer. „Als ich von Madrid zurückkam, warst du verschwunden. Keine Nachricht von dir. Kein Anruf. Wie konntest du so etwas tun?“
„Es war … es war an
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