Julia Extra Band 365
hat ihm dann natürlich fürchterlich leidgetan, und er hat mich umsorgt wie eine Mutter ihr erstes Kind. Jahrelang hat er mir immer wieder erzählt, wie mies er sich wegen des Vorfalls fühlt. Das habe ich manchmal zu meinem Vorteil ausgenutzt, muss ich gestehen.“
„Ja, Geschwister können sich gegenseitig mit Schuldgefühlen gut manipulieren“, fand er, und mit zwei Brüdern musste er wissen, wovon er sprach.
„Wie sieht denn, wo wir schon beim Thema sind, deine ideale Frau aus?“, wollte Kate nun wissen. „Trägt sie Handschuhe und ein schickes Hütchen wie Arztfrauen in alten Filmen?“
„Ach du lieber Himmel, nur das nicht! Da würde ich verrückt.“ Er lachte leise. „Ich mag Frauen, die natürlich sind.“
„Du meinst, ohne Make-up, in schlabbrigen Pullovern und Hosen, und mit Sandalen an den Füßen?“
„Nein, nein, nein. Ich meine Frauen, die sich selbst treu sind. Die sich nicht anders benehmen, als sie sich fühlen. Besser gesagt, die sich nicht verstellen. Ich mag keine Geheimnisse und keine Überraschungen.“
„Ich auch nicht“, stimmte Kate ihm mit Nachdruck zu. „Was mir eine Beziehung auf jeden Fall kaputtmachen würde, ist Unehrlichkeit. Ich ertrage es nicht, wenn man mich anlügt. Hab den Mut, mir die Wahrheit zu sagen, andernfalls vergeudest du nur meine Zeit … so ungefähr lautet mein Motto. Und da wären wir endlich.“
Sie waren am Hotel in der City angelangt. Kate fuhr den Wagen zum Lieferanteneingang und parkte dort. Brody half ihr, die Schachteln auf einen großen Servierwagen zu laden, mit dem sie im Lift in den dritten Stock fuhren. Dort befand sich der Festsaal, in dem das Bankett stattfand.
Während Kate die Cupcakes, die Brody ihr anreichte, dekorativ auf Etageren anordnete, erklärte sie ihm, dass das Festessen eigentlich nur für den ranghöchsten General des Bezirks geplant gewesen war, der sich zur Ruhe setzte. Er hatte es, auf eigene Kosten, zu einer Feier für seine Einheit gemacht, die in Afghanistan stationiert gewesen war und der auch Andrew angehört hatte.
„Sie haben mich gebeten, für das Dessert zu sorgen, weil sie ja wissen, dass mein Bruder …“ Sie biss sich auf die Lippe und ermahnte sich, auf keinen Fall zu weinen. „Dass Andrew nicht nach Hause gekommen ist.“
Bevor Brody etwas Tröstendes zu sagen einfiel, wurden die großen Türen geöffnet, und die Gäste strömen in den Festsaal, der in den Farben der amerikanischen Flagge dekoriert war. Die Hymne ertönte. Alle standen, die Hand aufs Herz gelegt da, und sangen ergriffen mit. Es war ein bewegender Moment.
„Hier sind Kameraden von Andrew?“, fragte Brody danach beklommen, und ihm wurde flau zumute.
„Ja, und ich möchte dich ihnen gern vorstellen.“
Nun hatte er das Gefühl, von einem Vorschlaghammer getroffen worden zu sein. Eben erst hatte Kate ihm gesagt, was sie am wenigsten ausstehen könne, wären Lügner. Und er hatte sie vom ersten Moment an unaufhörlich angelogen, zumindest in dem Sinn, dass er ihr die Wahrheit verschwiegen hatte!
Darüber, wer er war. Warum er in ihr Geschäft gekommen war. Dass er Andrew gekannt hatte. Dass er ihn nicht hatte retten können.
Andrew hatte es zwar von ihm verlangt, es war sein letzter Wunsch gewesen, aber … jetzt war sehr fraglich, ob es die richtige Entscheidung gewesen war.
Kate war seelisch stärker als gedacht. Ja, es war hoch an der Zeit, dass sie die Wahrheit erfuhr.
Der General betrat die Bühne und hielt eine Lobrede auf seine Truppen. Danach dankte er allen Spendern, die zum Gelingen der Feier beitrugen, darunter natürlich auch Kate … die er zu sich auf die Bühne bat!
„Kate ist die Schwester von Andrew Spencer, der in Afghanistan bei einem tragischen Unfall ums Leben kam, als er und seine Kameraden ein Team von Ärzten als Schutztruppe begleitete“, erläuterte der General.
„Ich weiß nicht, ob ich das schaffe“, flüsterte Kate besorgt. „Kommst du mit, Brody? Bitte! Wenigstens bis zur Bühne.“
„Aber sicher.“ Er nahm sie bei der Hand und führte Kate nach vorn.
Sie stieg auf die Rednertribüne und wandte sich dem alten Soldaten zu. „Danke, General Martin, für die freundlichen Worte“, begann sie. „Mir gebührt kein Dank, ich habe ja nur Kuchen zum heutigen Fest beigesteuert. Mein Bruder und seine Kameraden hingegen haben sich mit allen Kräften und unter großen Opfern dafür eingesetzt, Leben zu schützen, und dafür gebührt ihnen Dank und Ehre. Ich bin stolz darauf, Andrew Spencers
Weitere Kostenlose Bücher