Julia Extra Band 367
welche Pläne er mit Erin Turner verfolgte, wären seine Eltern entsetzt gewesen. Sie hatten ihn immer vergöttert und gehofft, dass er die konservativen Werte, die sie ihm von klein auf vermittelt hatten, verinnerlichen würde. Doch schon als Kind hatte Christo genau gewusst, wie er sich benehmen musste, um seinen Eltern zu gefallen. Irgendwann hatte er allerdings lernen müssen, dass er unmöglich so leben konnte, wie es seine Eltern von ihm erwarteten. Seine Miene wurde ernster, als er an Lisandra dachte, die er nur seinen Eltern zuliebe geheiratet hatte. Schnell goss er sich einen Drink ein, um nicht mehr an das katastrophale Ende seiner Ehe denken zu müssen.
Da er achtzehn Stunden täglich auf den Beinen war, um sein Hotelimperium am Laufen zu halten, betrachtete er das kurze Aufwärmen seiner Affäre mit Erin als netten Zeitvertreib. Mehr nicht . Wenn sie sich allerdings in den nächsten vierundzwanzig Stunden nicht bei ihm meldete, würde er eben noch härtere Bandagen anlegen. In seinen Genen war Verzeihen nämlich nicht angelegt. Dennoch brannte in seinen Adern bereits ein Verlangen, das er nicht mehr in den Griff bekam. Es war nur ein Kuss gewesen, aber, Himmel, er fühlte sich fast wieder wie ein Teenager.
Warum nur loderte dieses Feuer in seinem Inneren, Erin könne in eben diesem Moment mit Sam Morton im Bett liegen und sich auf die hinterhältigste weibliche Art dessen Zuneigung erkaufen? Eigentlich hätte die Vorstellung doch das Feuer, das sie in ihm entfacht hatte, ersticken sollen … Und doch war der einzige Silberstreif, den er am Horizont sah, die Aussicht auf das gemeinsame Wochenende mit Erin. An dem Wochenende wollte er seine geheimsten Fantasien ausleben. Natürlich würde die echte Erin niemals an die Frau aus seinen Träumen heranreichen, und das Erlebnis würde ihn schlagartig ernüchtern. Danach wäre er ein für alle Mal über sie hinweg und sein unbegreifliches Verlangen nach ihr für immer erloschen. Wie sehr er sich auf diesen Moment freute, in dem er endlich sein emotionales Gleichgewicht wiederfinden würde.
Erin griff zitternd zum Telefon. Doch sie durfte Schmerz und Angst nicht die Oberhand gewinnen lassen. In den letzten drei Jahren war sie zu einer starken Frau herangereift. Doch was nützte das? Seit Christo seine Forderung gestellt hatte, saß sie in der Zwickmühle. Jetzt ging es nur noch darum, alles daran zu setzen, ihre Familie zu schützen.
„Ja, Miss Turner“, trällerte Christos Assistentin am anderen Ende der Leitung. „Mr Donakis sagte, dass Sie anrufen werden. Ich stelle Sie durch.“
Seine Gewissheit, dass sie klein beigeben würde, gab ihrem ohnehin angeschlagenen Selbstbewusstsein einen Stich. Sie dachte an die etlichen Versuche zurück, ihn vor zweieinhalb Jahren telefonisch zu erreichen. Damals war sie von seiner Assistentin stets abgewimmelt worden. Natürlich freute ein frisch gebackener Ehemann sich nicht über den Anruf einer Exfreundin. Doch ein Anruf, der Sex in Aussicht stellte, wurde offensichtlich gern entgegengenommen.
„Erin“, sagte Christo betont lässig. „Wie kann ich dir helfen?“
„Passt dir das Wochenende um den Fünften?“ Ihre Stimme klang vor Nervosität heiser, und Angst breitete sich in ihr aus, weil ihr die Situation entglitten war. Eine Stimme in ihrem Kopf warnte sie, dass sie unmöglich auf das unmoralische Angebot eingehen könne. Doch dann sah sie im Geiste ihre Kinder und ihre Mutter vor sich, und ihr Verstand sagte ihr, dass sie das einzig Richtige tat. Sie musste Prioritäten setzen.
„Das ist ja erst in zwei Wochen“, erwiderte Christo unwirsch.
„Vorher passt es mir zeitlich nicht“, sagte Erin so kalt, als handle es sich um einen Geschäftstermin.
„Abgemacht. Meine Assistentin wird sich wegen der Details mit dir in Verbindung setzen. Sorge du dafür, dass dein Pass gültig ist.“
„Wieso? Wo willst du mit mir hin?“, fragte sie irritiert.
„Dahin, wo wir ungestört sind. Wir sehen uns am Fünften“, sagte er knapp und beendete das Gespräch.
Als Erin den Hörer auflegte, stieg Hass in ihr auf. Was hatte sie ihm angetan, dass er es sich in den Kopf gesetzt hatte, ihr Leben zu zerstören? Er hielt sie für eine Diebin. Aber hatte sie während ihrer Beziehung seine teuren Geschenke nicht stets ausgeschlagen? Sprach das nicht für sie? Immer war sie bemüht gewesen, ihm auf Augenhöhe zu begegnen. Jetzt wanderten ihre Gedanken in die Vergangenheit zurück.
Damals hatte er auf ihre Zurückhaltung,
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