Julia Extra Band 367
Er dachte an Eugenia und ihre unverfrorene Andeutung, dass der eine oder andere Seitensprung durchaus verhandelbar sei. War er nun von Anfang an einer Täuschung erlegen, als er glaubte, in der altmodisch anmutenden Lily eine seltene Unschuld gefunden zu haben?
Er klammerte sich an einen letzten Funken Hoffnung. Aber das Herz schlug ihm bis zum Hals, als er die entscheidende Frage stellte: „Warst du also noch Jungfrau, Lily? Oder hast du mir die unschuldige Braut nur vorgespielt?“
8. KAPITEL
Lily wurde das Herz schwer, als sie Ciros anklagendem Blick begegnete. Er hielt immer noch ihre Hüften umklammert … so fest, dass es ihr wehtat. Oder war sie einfach nur empfindsamer als gewöhnlich, nach dem unglaublichen Orgasmus, den sie in seinen Armen erlebt hatte?
Eigentlich müsste es ohne Bedeutung sein, ob ich noch Jungfrau war oder nicht, versuchte sie sich einzureden. Jedoch dieser Überlegung folgte sogleich ein anderer Gedanke: Dumme Lily! Du hättest es ihm früher sagen müssen. Dumme, dumme, dumme Lily. Alles wäre besser gewesen, als es ihm jetzt zu erzählen, da sie nackt im Bett lagen und er sie so kalt und wütend anschaute, wie er sie noch nie angesehen hatte.
„Nein, ich war keine Jungfrau mehr. Aber …“, sie versuchte zu lächeln, was ihr kläglich misslang, „… du doch auch nicht.“
Ihre Worte trafen ihn wie ein Dolchstoß mitten ins Herz. „Mit dem Unterschied, dass ich nie etwas anderes vorgetäuscht habe. Anders als du!“
Er schob sie weg und stand aus dem Bett auf, als wollte er so viel Distanz wie möglich zwischen ihnen schaffen.
„Ich habe gar nichts vorgetäuscht!“, protestierte Lily. Sie fröstelte, fühlte sich ohne seine wärmende Nähe verlassen und verloren.
„Ach nein?“ Er warf ihr einen verächtlichen Blick zu, als er sich die Boxershorts anzog. „Aber du hast mich ganz bestimmt nicht in meiner Annahme korrigiert, dass du noch unschuldig warst, oder? Und hast es auch nicht für nötig befunden, mich darüber aufzuklären, dass du vor mir andere Liebhaber hattest. Stattdessen hast du meinen falschen Eindruck unwidersprochen stehen lassen, richtig?“
Lily presste schuldbewusst die Lippen zusammen, denn sie wusste, dass er zumindest teilweise recht hatte. Sie hatte aus verschiedenen Gründen seinen Eindruck nicht korrigiert. Zum einen war von Anfang an klar, dass Ciro sie respektierte, weil sie ihn auf Distanz hielt. Er traf nur selten eine Frau, die nicht sofort mit ihm ins Bett ging. Und schon bald hatte sie selbst fast an das Fantasiebild, das er von ihr hatte, geglaubt, denn ihr gefiel, wie sie sich dabei fühlte. Es gefiel ihr viel zu sehr. Ciro gab ihr ein Gefühl von Wertschätzung. Als ob es tatsächlich nie einen andern Mann außer ihm gegeben hätte. Verglichen mit ihm war Tom kaum mehr ein Schatten in ihrer Erinnerung. Konnte sie ihm das verständlich machen?
„Mir ist klar, dass ich es dir hätte sagen müssen“, begann sie zögernd. „Aber es war so verlockend, einfach die wundervolle Zeit, die wir miteinander hatten, zu genießen. Ich wollte es nicht verderben.“
„Also dachtest du, du wartest bis zu unserer Hochzeitsnacht, um mit deine kleine Überraschung aufzutischen, ja? Nachdem du mich wie eine Hure geritten hast? Verzeih mir, wenn ich von deinem Gefühl für Timing nicht viel halte.“ Er sah, wie sie bei seiner rüden Bemerkung zusammenzuckte, doch er empfand kein Mitleid, weil er selbst so tief verletzt war. „Wie viele waren es, Lily?“ Er hielt seine Linke hoch, an deren Ringfinger der goldene Ehering ihn zusätzlich zu verhöhnen schien. „Weniger als die Finger an einer Hand? Oder ist das zu vorsichtig geschätzt? Waren es vielleicht zehn oder zwanzig? Kein Wunder, dass du so verdammt gut bist!“
„Es waren keine Liebhaber im Plural!“ Lily konnte seinen abfälligen Blick kaum ertragen. „Es hat nur einen vor dir gegeben.“
„Und damit soll ich jetzt glücklich sein?“
Lily versuchte es mit einem letzten Appell an seine Vernunft. „Du hast mir doch auch nichts über deine früheren Geliebten erzählt.“
„Keine Einzelheiten, das stimmt. Aber ich habe auch nicht die Wahrheit verdreht, um als etwas dazustehen, das ich nicht bin.“
Lily atmete tief ein. Ihr war klar, dass sie den eigentlichen Punkt ansprechen musste. „War meine angebliche Jungfräulichkeit denn so wichtig für dich?“, fragte sie ruhig.
Einen Moment lang sah er sie schweigend an, bevor er sein Herz gegen ihren flehentlichen Blick verschloss.
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