Julia Extra Band 367
Schluck Wein.
Und jetzt wollte Reith Fakten schaffen und forderte seine Rechte als Ehemann ein.
Warum traf sie das so unvorbereitet? Weil sie zu sehr damit beschäftigt gewesen war, Saldanha und Balthazar wieder zu dem zu machen, was die Güter einmal gewesen waren? Oder mangelte es ihr wirklich an Mut und sie betrieb Vogel-Strauß-Politik, wie Reith es ihr vorgeworfen hatte?
Was würde geschehen, wenn sie offen mit ihm über ihre Gefühle redete? Wenn sie ihm gestand, nicht herausfinden zu können, ob sie ihn liebte oder hasste?
Es gab Zeiten, da brauchte sie nur seine Stimme zu hören, und ohnmächtige Wut über das, was er ihr angetan hatte, überwältigte sie. Doch es gab auch Momente, in denen sie mit ihm lachen und seine Hand halten wollte. Momente, in denen er sie nur anzusehen brauchte, um sie zum Schmelzen zu bringen.
Wie sehr sie sich dann danach sehnte, alle Konflikte vergessend in seinen Armen zu liegen, Reiths Leidenschaft und seine Kraft zu spüren, ihn zu lieben, bis …
Abrupt hob sie den Kopf, weil sie sich beobachtet fühlte. Reith sah ihr in die Augen, und ihr Herz setzte einen Schlag aus – er schien genau zu wissen, wo sie mit ihren Gedanken gewesen war.
Glücklicherweise hob Molly in diesem Moment die Tafel auf und bat ihre Gäste zum Espresso ins Wohnzimmer. Erleichtert sprang Kim auf.
Es war bereits Mitternacht, als Reith in die Privatstraße nach Saldanha einbog.
„Das war ein schöner Abend“, meinte er.
„Ja“, antwortete Kim tonlos.
„Das klingt ja nun nicht gerade überzeugend.“ Fragend blickte er sie von der Seite an.
„Ich … Wie findest du Chilli George?“ Es war das Erste, das ihr einfiel, um Interesse an einem Gespräch zu bekunden.
Reith hielt vor der Tür an und zuckte die Schultern. „Sie ist ebenso extravagant wie ihr Name – aber vielleicht ist sie das ihrem Ruf als angesagte Designerin auch schuldig.“ Er legte die Hände aufs Steuer.
„Und jetzt?“, fragte er, nachdem Kim wieder schwieg. „Wollen wir jetzt Mollys gesamte Gästeliste durchgehen?“
Nervös verschränkte Kim die Hände im Schoß. Fieberhaft suchte sie nach einem zündenden Thema, um nicht über das sprechen zu müssen, was Reith im Sinn hatte.
„Es ist schon spät“, begann sie verzweifelt, als ihr nichts einfallen wollte. „Ich … Und …“ Sie verstummte.
„Also wieder nicht der richtige Zeitpunkt“, bemerkte Reith sarkastisch.
Kim biss sich auf die Lippe.
„Okay. Steig aus.“
„Du brauchst den Wagen nicht in die Garage zu bringen, lass ihn einfach hier stehen“, plapperte sie, nur um etwas zu sagen.
„Ich will nicht in die Garage, ich will nach Perth.“
„Mitten in der Nacht? Was willst du denn da?“ Ihre Blicke trafen sich.
„Bist du wirklich so naiv, oder tust du nur so?“
„Ich … ich … Wann kommst du zurück?“
„Keine Ahnung.“ Er trommelte mit den Fingern ungeduldig auf dem Steuerrad.
„Reith!“
„Kimberley?“, fragte er übertrieben höflich.
Sie schluckte. „Mach doch, was du willst!“ Sie stieg aus und knallte trotzig die Autotür hinter sich zu.
Kim hörte ihn noch spöttisch lachen, dann waren die Rücklichter des schweren Geländewagens auch schon in der Dunkelheit verschwunden.
Nach einer nahezu schlaflosen Nacht sattelte Kim schon vor dem Frühstück ihre Stute Mattie, um nach Balthazar zu reiten. Sunny Bob fand das eine grandiose Idee, laut bellend stürmte er voran.
Balthazar war nicht nur ein Weingut mit eigener Kelterei, sondern besaß auch einen Ausschank, der unter Weinkennern als Geheimtipp galt.
Die gemütliche Schenke war in dem malerischen strohgedeckten Haupthaus untergebracht. Es war von einem üppigen Blumengarten umgeben, der allmählich in eine parkähnliche Anlage mit altem Baumbestand überging. Etliche geschwungene Holzbrücken führten hier über einen munter fließenden Bach, der sich am Ende zu einem kleinen, von Zypressen umsäumten See staute.
Außer der Schenke gab es auch noch ein Restaurant und einen Souvenirladen im Haus. Hier arbeitete Kim zwei oder drei Tage die Woche, ihren Beruf als Lehrerin hatte sie sofort nach der Eheschließung aufgegeben.
Wie auf den meisten Weingütern fand auch auf Balthazar ein jährliches Festival statt. Hatten sich andere Winzer für Konzerte oder Handwerkermärkte entschieden, gab es auf Balthazar eine Modenschau. In wenigen Tagen war es wieder soweit, diesmal würde Chilli George ihre neue Frühjahrskollektion vorstellen.
Chilli! Kim runzelte die Stirn,
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