Julia Extra Band 370
gegangen, aber Sie haben ihm Hoffnungen gemacht, dass es eines Tages dazu kommen könnte?“
Roxy schoss die Röte ins Gesicht. Damit hatte er nicht ganz unrecht, auch wenn sie es nur höchst ungern zugab. Zwar hatte sie Martin Murray nicht im Zweifel darüber gelassen, dass verheiratete Männer für sie tabu waren, aber die meisten Männer litten unheilbar an Selbstüberschätzung, richtig? Deshalb hatte er vielleicht gehofft, irgendwann doch noch zum Zug zu kommen. Und ihr war es vielleicht ganz recht gewesen, dass er so gedacht hatte.
„Ich kann nicht die Gedanken anderer Leute kontrollieren“, murmelte sie unwirsch.
Und ich auch nicht, dachte Titus widerstrebend. Das schaffte er ja nicht einmal bei seinen eigenen Gedanken. Denn warum zum Teufel schaute er ihr in diese berechnenden Augen und wünschte sich dabei, sie mit einem harten Kuss zu bestrafen? Was war das bloß, was böse Mädchen wie Roxanne Carmichael so reizvoll machte? Verärgert schluckte er den Kloß, den er im Hals hatte, hinunter, wobei er sich wünschte, dieses verräterische Ziehen in der Leistengegend ließe sich genauso leicht beseitigen.
„Und was haben Sie jetzt vor?“, fragte er, um seine Verunsicherung zu überspielen.
Roxy, die plötzlich wieder ganz weiche Knie bekam, ließ sich eilig auf der Couch nieder. „Ich weiß noch nicht genau“, sagte sie. „Erst muss ich mein Handy aufladen.“
„Sind Ihnen Ihre übermenschlichen Kommunikationsfähigkeiten abhandengekommen, Roxanne?“, spottete er. „Also los, geben Sie mir das Ladegerät.“
Sie kramte das Zubehör aus ihrer Handtasche und reichte es ihm.
Er straffte die Schultern und suchte ihren Blick. „Hier, nehmen Sie solange meins.“ Er hielt ihr sein Smartphone hin.
Weil sie keine andere Wahl hatte, willigte sie ein, obwohl es ihr überhaupt nicht passte, dass er zuhörte. Sie gab die Nummer der Putzagentur ein, bei der sie arbeitete. Als sich am anderen Ende der Leitung eine Frauenstimme meldete, beschlich sie die böse Vorahnung, dass ihr das, was sie gleich hören würde, gar nicht gefallen würde. Sie presste das Telefon fest ans Ohr, damit Titus nicht mitbekam, was die Stimme am anderen Ende der Leitung sagte.
„Ich war krank“, verteidigte sie sich, auf Nachsicht hoffend. Als sie den Blick hob und bemerkte, dass er sie beobachtete, konnte sie nicht verhindern, dass ihr ein Schauer über den Rücken rieselte. Sie räusperte sich und schaute weg. „Ich hatte … eine Lungenentzündung.“
„Tut mir leid, aber dafür kann ich nichts. Sie sollten besser auf sich aufpassen und endlich aufhören, Raubbau an Ihren Kräften zu betreiben“, wurde sie belehrt. „Sie müssen sich schon entscheiden, was Sie sein möchten: Reinigungskraft oder Sängerin, beides geht einfach nicht. Hören Sie, Roxanne, ich kann es mir wirklich nicht leisten, unzuverlässige Leute zu beschäftigen. Nicht bei unserer Kundschaft.“
Wenn Titus nicht neben ihr gestanden hätte, hätte sie vielleicht nicht so schnell aufgegeben. Vielleicht hätte sie der Frau versichert, dass sie bereit war, jede, aber auch wirklich jede Drecksarbeit zu übernehmen, und dass sie nie wieder unentschuldigt fehlen würde.
Aber jetzt wurde ihr klar, dass sie dieses Versprechen womöglich gar nicht halten konnte, weil sie sich plötzlich wieder so schwach fühlte, dass sie sich nicht einmal sicher war, ob sie es schaffen würde, von diesem Sofa aufzustehen. Deshalb blieb ihr nur, das Gespräch möglichst höflich zu beenden, bevor sie Titus das Telefon kommentarlos wieder hinhielt. Er musterte sie immer noch auf diese irritierende Art und Weise. Als gehörte sie einer fremden Spezies an.
„Das klang aber nicht nach einer fruchtbaren Unterhaltung“, bemerkte er.
„Sehr scharfsinnig beobachtet.“
„Wer war das?“
Ihr wurde klar, dass ihr die heikle Situation, in der sie sich befand, gewisse Zugeständnisse abverlangte. Aber da war immer noch eine Spur Stolz in ihr, die sie daran hinderte, ihm die ganze deprimierende Wahrheit ihrer Existenz zu offenbaren.
„Die Reinigungsfirma, bei der ich arbeite … gearbeitet habe“, rutschte es ihr dann aber doch heraus.
„Die Reinigungsfirma?“ Er zog die Augenbrauen hoch. „Sie arbeiten als Putzfrau ?“
„Die politisch korrekte Bezeichnung lautet Reinigungsfachkraft. Aber das ist jetzt auch egal, weil sie mich eben gefeuert haben.“
„Aber Sie waren doch krank“, wandte er ein.
„Ja schon, aber ich habe auch zwei ihrer wichtigsten Kunden
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