Julia Extra Band 370
unlackierten Fingernägel. Seine unausgesprochenen Fragen hingen in der Luft, aber er war wohl zu höflich, um sie zu stellen. Warum konnten Sie nicht Ihren Vater um Hilfe bitten? Warum haben Sie mir erzählt, dass Sie keine Verwandten mehr haben?
„Es gibt ihn noch“, sagte sie widerstrebend. „Aber er ist nicht mehr mein Manager, und das nicht nur, weil ich im Moment keinen Manager brauche. Ich sehe ihn nur noch selten.“
„Und warum?“
Dass er jetzt doch fragte, überraschte sie. Und mehr noch, dass er für einen ganz kurzen Moment sogar fast interessiert wirkte.
„Die Tatsache, dass seine Freundinnen immer jünger werden, ist der Vater-Tochter-Beziehung nicht unbedingt förderlich“, erklärte sie. „Aber unser Verhältnis ist sowieso ziemlich gestört, seit er mit fragwürdigen Finanzspekulationen mein ganzes Vermögen durchgebracht hat.
„Oh“, sagte er leise.
Roxy zuckte die Schultern. „Ja, das hat ziemlich wehgetan damals, aber man gewöhnt sich daran. Wie gewonnen, so zerronnen“, versuchte sie das Thema mit der Nonchalance zu beenden, die zu kultivieren sie sich in den vergangenen Jahren angewöhnt hatte. Einfach, weil es unsinnig war, sich ständig über Dinge, die man nicht mehr ändern konnte, den Kopf zu zerbrechen. „Aber genug von mir. Was ist mit Ihrer Familie?“
Bei jeder anderen Frau hätte er jetzt wahrscheinlich das Thema gewechselt. Und wäre damit durchgekommen. Nur bei Roxanne Carmichael war das anders … vielleicht wegen der Umstände, die sie hierher geführt hatten.
„Nach dem Tod meines Vaters vor achtzehn Monaten habe ich seinen Titel geerbt. Vorher habe ich als bescheidener Earl in Paris gelebt.“
„Als bescheiden kann ich Sie mir aber gar nicht gut vorstellen.“
„Sollte das ein Kompliment sein?“ In seinen Augen lag ein sardonisches Lächeln, während er sie forschend betrachtete. „Nein, offenbar nicht.“
„Aber Ihre Mutter lebt noch?“
„Ja. In Schottland.“
„Oh. Warum nicht hier?“
Obwohl sie noch nicht am Ziel waren, hielt er an und machte den Motor aus. „Meine Eltern haben sich scheiden lassen, als ich noch ein Kind war. Nachdem meine Mutter entdeckt hatte, dass mein Vater mit der Frau, die später meine Stiefmutter wurde, bereits seit Jahren eine Affäre hatte“, erzählte er.
Roxy hörte die Verachtung, die bei dem Wort Stiefmutter in seiner Stimme mitschwang. „Dann lebt Ihre Stiefmutter hier?“
„Nein. Sie hat sich verabschiedet, als sich der Gesundheitszustand meines Vaters rapide verschlechterte. Glücklicherweise gelang es mir, meinen Vater noch kurz vor seinem Tod zu überreden, die Scheidung einzureichen.“ Jetzt klirrte seine Stimme wie Eiswürfel in einem Glas. „Auf diese Weise wurde wenigstens verhindert, dass sie Ansprüche auf den Familiensitz anmeldet.“
Trotz der Kälte, die in seiner Stimme mitschwang, war es Roxy unmöglich, sich seiner Ausstrahlung zu entziehen, und am verrücktesten war, dass er sich allem Anschein nach von ihr ebenso angezogen fühlte. Auch wenn er sie mit Sicherheit nicht mochte.
„Ich bin Ihnen wirklich sehr dankbar“, sagte sie ungelenk. „Weil Sie mich aus diesem grässlichen Hostel rausgeholt haben und mir für ein paar Wochen Arbeit geben.“
Er tat es mit einem Schulterzucken ab. „Nennen wir es einfach Ursache und Wirkung, okay? Es war schließlich meine Schuld, dass Sie dort gelandet sind.“
Roxy schüttelte den Kopf. Es war nicht fair, ihm für alles die Schuld zu geben. „Nicht wirklich. Ich war seit Tagen krank. Ich hätte früher zum Arzt gehen müssen.“
Das war ein echtes Zugeständnis. Er beobachtete, wie sie ihr langes Haar mit beiden Händen nach vorn holte und sich einen langen Zopf flocht, den sie mit einem schlichten Gummiring sicherte und über einer vollen Brust liegenließ. Titus gelang es nur mit Mühe, seinen Blick loszureißen und den Wagen zu starten.
„So, da wären wir“, sagte er schließlich, nachdem er den Bentley vor dem Haupteingang von Valeo Hill zum Stehen gebracht hatte.
Roxy blickte staunend auf das palastartige Anwesen. „Oh … wow!“
„Gefällt es Ihnen?“, fragte er mit unüberhörbarem Stolz.
„Gefallen?“ Beeindruckt schwieg sie einen Moment, während sie die ganze Pracht auf sich wirken lassen. „Es ist grandios, Titus, wirklich!“
Der Haupteingang des Anwesens wurde von zwei Löwenstatuen aus Bronze bewacht, die auf ausladenden Marmorsockeln ruhten. Auf dem obersten Absatz des breiten, von kunstvoll verzierten
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