Julia Extra Band 370
gestern auf der Galerie die Marmorstatuen abgestaubt hatte, hatte er sie einen Moment von der anderen Seite unbemerkt beobachtet. Wie sie mit den Fingerspitzen fast zärtlich erst die Wangenknochen eines seiner Vorfahren nachgezeichnet hatte, dann die Konturen des Mundes. Da hatte er sich fragen müssen, wie es sich wohl anfühlen mochte, wenn sie seine Lippen so berührte.
Ihm fiel auf, dass sie sich wieder in ihre Arbeit vertieft hatte und gewissenhaft das Glas polierte, obwohl ihre angespannte Haltung verriet, dass ihr seine Anwesenheit durchaus bewusst war. Konnte es schaden, für eine Weile mit ihr unbeobachtet zu sein? Einem Begehren nachzugeben, das zu verleugnen fast sträflich erschien? Besonders, wenn man bedachte, dass sie ganz gewiss keine Unschuld vom Lande war! Vielleicht stand sie ihm an sexueller Erfahrung ja sogar nicht nach.
„Was halten Sie von einer kleinen Führung?“, fragte er betont beiläufig.
Roxy hielt mit dem Polieren inne und schaute ihn überrascht an. „Meinen Sie eine Führung durchs Haus?“
„Wenn es Sie interessiert.“ Sein Mund wurde zu einem schmalen Strich, als er den Anflug von Sinnlichkeit in ihrem Lächeln bemerkte. „Das einzige Problem ist, dass ich keine Uniform trage.“
„Ja, das ist wirklich schade.“ Sie schaute ihn – mit Herzklopfen – an, wohlwissend, dass das jetzt von beiden Seiten ein höchst unprofessionelles Verhalten war. Trotzdem schaffte sie es nicht, die Notbremse zu ziehen. Weil ihr sehr schnell klar geworden war, dass Flirten ein bisschen so war wie Fahrrad fahren. Das verlernte man auch nie, ganz egal wie lange man schon nicht mehr gefahren war. „Ich liebe Männer in Uniform.“
Ihm war nicht entgangen, dass sie mit ihm flirtete, und er war drauf und dran, sie an sich zu ziehen. Allein der Gedanke, dass sie überrascht werden könnten, hinderte ihn. Und so blieb ihm nur, seine unerwünschte körperliche Reaktion auf die Situation zu verfluchen, wobei er sich peinlich berührt fragte, ob ihr seine Erektion in diesen engen Reithosen überhaupt verborgen bleiben konnte. „Trotzdem werden wir auf die Uniform leider verzichten müssen.“ Auf das Tuch in ihrer Hand deutend, befahl er: „Legen Sie das jetzt weg und folgen Sie mir.“
„Vanessa hat aber gesagt, ich soll die Gläser polieren.“
„Das regle ich schon. Sie können Ihre Arbeit später weitermachen. Hat man Ihnen denn nicht gesagt, dass die Wünsche des Dukes stets Vorrang haben, Roxanne?“
Er sagte es in scherzhaftem Ton, aber für Roxy hörte es sich nicht so an, als würde er scherzen. Plötzlich schien die Atmosphäre zwischen ihnen elektrisch aufgeladen zu sein, und das Glitzern in seinen Augen deutete auf das sehr reale Vorhandensein von Begierde hin. Roxy fragte sich, wie sie aus der Situation wieder herauskommen sollte und wie er wohl reagieren mochte, wenn sie sich weigerte, seiner Aufforderung zu folgen. Aber sie weigerte sich nicht, sondern legte das Tuch widerspruchslos weg und verließ mit heftigem Herzklopfen hinter ihm den Raum.
„So, und das ist der Große Salon“, erklärte er wenig später, während er mit ihr einen in Dunkelrot und Gold gehaltenen Raum von überdimensionalen Ausmaßen betrat.
Roxy ließ den Blick schweifen. „Na, seinem Namen wird er jedenfalls gerecht“, meinte sie trocken und fuhr dabei ganz leicht mit den Fingerspitzen über die Armlehne eines Sessels, der mit dunkelrotem geprägtem Samt bezogen war. „Was für ein herrlicher Samt.“
„Er stammt aus Genua“, erwiderte er.
„Woher auch sonst“, murmelte sie, während sie auf ihrem Weg durch den Raum überlegte, wie lange es wohl gedauert haben mochte, bis man alle auserlesenen Einrichtungsgegenstände beisammengehabt hatte.
„Der Kleine Salon, der sich anschließt, hat wesentlich bescheidenere Ausmaße.“
„Obwohl ich befürchte, dass wir beide sehr unterschiedliche Vorstellungen von ‚bescheiden‘ haben“, gab sie zu bedenken.
Nachdem sie den tatsächlich nur geringfügig kleineren Wohnraum bewundert hatte, führte Titus sie in die Gemäldegalerie, wo an holzgetäfelten Wänden wertvolle Gemälde hingen. Roxy war so geblendet von all der Schönheit, dass es ihr die Sprache verschlug.
Ihr war bewusst, dass Titus sie nicht aus den Augen ließ, während sie langsam an den Wänden entlangging und gewissenhaft ein Gemälde nach dem anderen betrachtete. Sie kostete es aus, seine Blicke auf sich zu spüren, wobei ihre Brüste vor Erregung anfingen zu kribbeln. Vor
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