Julia Extra Band 372
so barsch angefahren haben.“
Es überraschte ihn, dass sie ihn durchschaut hatte, und er musste unwillkürlich lächeln. „Ich bin sonst immer die Freundlichkeit in Person.“
„Und ich dachte eher, Sie seien ein Snob.“
Er lachte lauthals heraus. Sie sah ihn fragend an, dann wandte sie sich ab und ging in die Bahnhofshalle. Er folgte ihr und sah hinunter zu dem Baby in der Trageschale. „Hallo, Molly.“
Das pausbäckige Baby mit dem Lockenkopf blickte ihn zahnlos grinsend an. Mit ihren rotblonden Haaren sah sie in dem rosafarbenen Strampler allerliebst aus.
Er ging auf eine Sitzbank zu und freute sich, dass Molly ihm keine Schwierigkeiten machte. Doch als sich Elise in die Schlange vor dem Schalter einreihte, begann das Baby erst zu quengeln und dann zu weinen. Zwei Personen stellten sich hinter Elise an, und sie konnte ihm nicht mehr zu Hilfe kommen.
Insgeheim fluchend, setzte er sich und begann die Kleine von den Anschnallgurten zu befreien. Die Wartenden auf den benachbarten Bänken drehten sich um und warfen ihm genervte Blicke zu, um ihm deutlich zu machen, dass sie keine Geduld für ein plärrendes Kleinkind aufbringen würden.
Als die letzte Schnalle aufschnappte und er Molly heraushob, hörte sie sofort auf zu weinen und grinste ihn an.
„Oh, ich verstehe. Du hast diese kleine Szene nur inszeniert, damit ich dich rausnehme?“
Sie gluckste vergnügt.
„Du bist zwar süß, aber ich bin immun dagegen.“
Bei seinem strengen Ton verzog Molly den Mund, als wollte sie gleich wieder losheulen, und da sich Jared nicht den Zorn der anderen Wartenden zuziehen wollte, ging er mit ihr auf und ab.
Sie schaute sich neugierig um, und Jared entspannte sich. Er musste also nur in Bewegung bleiben, daher ging er hinüber zu der großen Anzeigetafel mit den Abfahrtszeiten. Als er die Fahrtzeit des Busses nach North Carolina gefunden hatte, blieb ihm vor Staunen der Mund offen stehen.
Acht Tage?
Elise würde acht Tage bis North Carolina brauchen? Acht Tage im Bus mit Fahrgästen, die ihm schon jetzt böse Blicke zuwarfen und offensichtlich alles andere als begeistert waren, mit einem quengelnden Baby zu reisen? Mein Gott, Elise hatte ein echtes Problem.
Ungläubig sah er noch einmal zur Tafel hoch, ob er auch richtig gelesen hatte. Der Bus machte wohl Riesenumwege, vielleicht um Fahrgäste abseits der Route herauszulassen. Wenn er mit dem Wagen fuhr, brauchte er von New York nach Los Angeles gerade mal fünf Tage.
Stirnrunzelnd überlegte er. Würde er Elise fahren, dann würde die Reise nur halb so lange dauern, und sie müsste nicht in einem Bus mit mürrischen Mitreisenden sitzen. Obendrein könnte er dadurch seine eigene Ankunft in New York um fünf Tage hinauszögern. Er müsste keine drei Wochen in einer Stadt bleiben, die ihn nur an das perfekte Leben erinnerte, das ihm zwischen den Fingern zerronnen war. Und weitere fünf Tage in New York würden auch dadurch wegfallen, dass er wieder mit dem Auto nach L. A. zurückfahren müsste, statt zu fliegen.
Er schüttelte nachdenklich den Kopf. So gut das klang, es war dennoch eine verrückte Idee. Und wie sollte er seinen Eltern beibringen, dass er sich aus heiterem Himmel entschlossen hätte, eine Nachbarin über die Feiertage die ganze Strecke nach North Carolina zu fahren. Sie würden ihn für verrückt erklären.
Elise kam mit dem Ticket in der Hand vom Schalter zurück, und einen Augenblick beneidete er sie. Sie sah erleichtert aus, aber das würde natürlich nicht lange anhalten. Sobald ihre Mitreisenden genug von dem Babygeschrei hätten, würde die Fahrt für sie zur Qual werden.
Aber er konnte ihr doch nicht einfach anbieten, sie zu fahren. Selbst wenn er sie an dem Ort, an dem ihre jeweiligen Routen sich trennten, zum Busbahnhof bringen würde, müsste er einen Grund dafür finden, warum er mit dem Wagen fuhr, anstatt zu fliegen – einen Grund, den seine Eltern nicht für ein absichtliches Verzögerungsmanöver halten würden.
Elise nahm ihm das Baby ab. „Was war denn los?“
„Sie hat angefangen zu weinen.“
„Aha, sie hat Sie also erpresst, sie auf den Arm zu nehmen.“
„Genau diesen Eindruck hatte ich auch.“
„Na ja, jetzt übernehme ich ja wieder.“ Sie schenkte ihm ein herzliches Lächeln. „Tut mir leid, dass ich vorhin etwas unfreundlich war. Ich bin ganz schön nervös wegen dieser Reise.“
„Schon gut.“ Ihre Blicke trafen sich. „Ich bin auch nervös wegen meiner Reise.“
„Dann haben wir ja doch etwas
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