Julia Extra Band 372
in ihre Vergangenheit gerückt, dass sie kaum noch einen Gedanken an ihn verschwendete.
Sie aß mit sichtlichem Genuss. „Schmeckt einfach köstlich.“
„Danke. Das Rezept hat mir meine Mutter beigebracht.“
Zum zweiten Mal hatte er jetzt beiläufig seine Eltern erwähnt, aber als er nicht weitersprach, konzentrierte sie sich wieder aufs Essen und auf ungezwungenes Plaudern. „Ich schätze, bei dem Sturm kannst du morgen nicht auf dem Dach arbeiten.“„Wahrscheinlich nicht. Aber während Molly ein Nickerchen gemacht hat, war ich oben auf dem Speicher und habe dort eine Kiste mit Weihnachtsdekoration gefunden. Jede Menge Beleuchtung für draußen.“ Er räusperte sich. „Die könnte ich dir noch aufhängen, bevor ich wegfahre. Natürlich nur, wenn du möchtest.“
Sie holte tief Luft und wich seinem Blick aus. Sie wollte, dass er bei ihr blieb, denn sie wusste genau, dass er am liebsten auch dableiben würde. „Ja, ich würde mich freuen, wenn du mir hilfst, sie aufzuhängen“, erwiderte sie schließlich.
Sie räumten den Tisch ab und spülten das Geschirr, wie ein altes Ehepaar, und dabei plauderten sie über dies und das. Doch als die Arbeit getan war und Elise ein Spiel Rommé vorschlug, schüttelte er den Kopf. „Nein, ich fahre lieber zurück ins Bed and Breakfast.“
„Ich hole dir deine Jacke.“ Enttäuscht drehte sie sich um, ging zur Garderobe und reichte ihm dann mit tapferem Lächeln die Lederjacke. „Du solltest eigentlich noch etwas Wärmeres haben als die hier.“
Er nahm ihr die Jacke ab. „Ja, stimmt. Wenn man seit fünf Jahren in L. A. wohnt, dann vergisst man, wie kalt es in New York werden kann.“
Sie schluckte, und Enttäuschung machte sich in ihr breit. Sie konnte nicht glauben, dass er wirklich morgen fortfahren würde. Mit jeder Faser ihres Herzens wusste sie, dass sie zusammengehörten, aber wenn er das nicht sehen und seine Vergangenheit nicht loslassen konnte, dann kam es auf ihre Gefühle nicht an. Er würde nicht bleiben. Sie durfte sich keinen falschen Hoffnungen hingeben, denn sonst würde sie sich nur einsam und allein fühlen, wenn er fort war.
Sie riss sich mit aller Macht zusammen und sagte: „Gute Nacht“, dann wandte sie sich rasch ab und wollte die Tür schließen.
In diesem Augenblick streckte er ruckartig den Arm aus, umfasste ihre Taille und drehte sie zu sich herum. In einer fließenden Bewegung zog er sie an sich und küsste sie.
Ihr Herz setzte einen Schlag aus. Sie spürte erst nichts außer seinen warmen Lippen, dann drängten sich tausend Empfindungen und Gedanken in ihr Bewusstsein. Aber auch eine erstaunliche Erkenntnis brach sich in ihr Bahn. Er konnte nicht fortgehen, ohne sie zu küssen. Das schaffte er einfach nicht.
Ihre Hände glitten an seiner Jacke nach oben, sie spürte, wie sich seine Muskeln unter ihren Fingern anspannten und sein ganzer Körper starr wurde. Gleich würde er sich von ihr losreißen. Doch stattdessen stöhnte er leise auf, drückte sie enger an sich und küsste sie leidenschaftlich.
Elise glaubte, alles um sie herum würde sich drehen. Sie und Patrick waren damals, als sie zusammen gewesen waren, nur unerfahrene Teenager gewesen. Und nach ein paar Jahren waren ihre Küsse zur Routine geworden. Aber Jared konnte küssen. Er wusste, wie er sie verführen musste. Und sie wollte mehr. Er wusste, wie er sie berühren musste, sodass sie ihn mit jeder Faser ihres Herzens begehrte, ihre Nerven vor lauter Erwartung bis zum Zerreißen gespannt waren und ihr Puls vor Leidenschaft raste.
Genauso schnell wie der Kuss begonnen hatte, war er zu Ende. Jared zog sich zurück und sah ihr in die Augen. Sie brachte kein Wort heraus. Wagte kaum zu atmen. Wenn schon ein einfacher Kuss ihr Blut so sehr in Erregung versetzte und sie vor lauter Begehren ganz weiche Knie bekam, was würde erst passieren, wenn sie sich liebten?
Er holte tief Luft, drehte sich um und öffnete die Tür auf. „Gute Nacht, Elise.“
Er schloss die Tür hinter sich, noch bevor sie flüstern konnte: „Gute Nacht, Jared.“ Doch irgendwie war sie auch froh, dass er gegangen war.
Sie musste über so vieles nachdenken.
11. KAPITEL
Als Jared am nächsten Morgen erwachte, erwartete ihn draußen vor dem Fenster ein Wintertraum. Wie der Wetterexperte im Fernsehen vorhergesagt hatte, hatte der Sturm sie schließlich erreicht. Zehn Zentimeter Neuschnee lagen auf allem wie dicker weißer Zuckerguss auf einem Lebkuchen.
Er starrte minutenlang hinaus, denn er hatte
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